Herodot Hauptseite arpa Themen Datenbank Kontakt Arpa Anzuhören



Die Musen des Herodotus von Halikarnassus

Übersetzt von Dr. J. Chr. F. Bähr.




Neuntes Buch. Kalliope.



Einleitung in das neunte Buch.

Das neunte Buch, welches den Schluß des ganzen Werkes bildet, führt die Geschichte des Hellenischen Befreiungskampfes, "des Kampfes der asiatisch-persischen Welt mit dem europäischen Hellas", welcher den Gegenstand des Werkes ausmacht[*)] zu demjenigen Ende, welches mit der Besiegung des unter dem Befehl des Mardonius zurückgelassenen Landesheeres bei Platää und mit der Niederlage der heimgekehrten persischen Flotte und des zu ihrem Schutz bestellten Landesheeres bei Mykale in Jonien, also in Asien selbst, eintritt, insofern damit die eigentliche Befreiung vollendet und die bedrohte Unabhängigkeit von Hellas gegen jeden Angriff von Asien aus gesichert ist; womit auch die Aufgabe, die der Geschichtschreiber sich gestellt hatte, erreicht erscheint. Nach der Schlacht bei Platää löst sich, nachdem die Strafe an Theben vollzogen, das Landheer auf (88), und die hellenische Flotte kehrt nach dem Sieg bei Mykale ebenfalls zurück, die Peloponnesier schon früher (114), die Athener (121), nachdem sie noch die Gelegenheit benutzt, Sesius zu belagern und zu unterwerfen: die Ionier werden in den Bund der Hellenen aufgenommen (106), womit die Befreiung des gesamten Hellas vom persischen Joch vollendet erscheint. So bilden auch hier die beiden Kämpfe bei Platää und bei Mykale, namentlich der erste in seiner größeren Bedeutung und Ausdehnung, die Hauptpunkte, an welche die übrige Erzählung sich anlehnt, gerade wie im vorhergehenden Buch die Seekämpfe bei Artemisium und Salamis einen ähnlichen Mittelpunkt abgeben. Während nun die Darstellung dieser beiden Hauptereignisse, namentlich der Schlacht bei Platää, mit allein Detail und mit aller möglichen Genauigkeit uns vorgeführt wird, fehlt es doch auch in diesem Buche ebensowenig, als wie in den vorhergehenden Büchern, an einzelnen, in die Erzählung eingestreuten Episoden, die entweder über einzelne Persönlichkeiten sich verbreiten, welche in der Haupterzählung vorkommen und durch solche Episoden uns näher bekannt werden sollen, wie z. B. über den Seher Tisamenus (33. 35), über Melampus (34), über Sophanes (73-75), über den Seher Euenius (93-95), oder über andere Gegenstände, zu welchen in der Haupterzählung Veranlassung gegeben war, wie z. B. über die merkwürdigen Totengebeine auf dem Schlachtfeld von Platää (83), und die längere Episode aus dem Haremsleben des Xerxes (108-113), worüber wir die Note zu Kap. 113 nachzulesen bitten, da auch diese Episode nicht absichtslos eingereiht erscheint, sondern vielmehr mit dem ganzen Zweck Herodoteischer Geschichtschreibung in näherem Zusammenhang steht. Dieser Zweck des Werkes und die ihm zu Grunde liegende religiöse Anschauung des Geschichtschreibers tritt auch in diesem Buche, bei der Darstellung der Hauptereignisse hervor, die eben den Nachweis liefern soll, wie der für die Perser so unglückliche Ausgang des Kampfes, trotz ihrer Übermacht, und der mit der gänzlichen Vernichtung der Perser errungene Sieg der Hellenen nur als die natürliche und wohlverdiente Strafe anzusehen ist, welche über den persischen Übermut die Gottheit verhängt hat, welche hier als strafende Gerechtigkeitsmacht erscheint ; und selbst die verhältnismäßig so geringe Zahl der bei Platää gefallenen Hellenen, im Vergleich zu den Hunderttausenden von Persern, welche entweder durch das Schwert der Hellenen fallen, oder durch Mangel und Not zu Grunde gehen, soll auf das Außerordentliche dieses Ereignisses hinweisen, das darin eben als göttliche und unabwendbare Fügung sich darstellt, wodurch zugleich alle weiteren Versuche der Perser gegen Hellas für alle Zeiten abgewendet werden sollen. Und diese Auffassung einer göttlichen Fügung, die kein Sterblicher abzuwenden vermag, hat der Geschichtschreiber selbst in den Mund eines Persers gelegt in dem Zwiegespräch desselben mit dem Orchomenier Thersander, auf dessen ausdrückliches Zeugnis der Geschichtschreiber sich beruft (16). Aber auch in andern Einzelheiten gibt sich diese Anschauung kund, in der Verachtung der Opfer und der Orakelsprüche durch Mardonius (41), der dadurch seinem Verhängnis entgegeneilt, während die Hellenen gewissenhaft an den Ausfall der Opfer sich halten und nicht eher kämpfen (33. 38), als bis dieselben sich ihnen günstig zeigen (62). Findet doch der Geschichtschreiber selbst dann eine göttliche Veranstaltung, daß die Perser während des Kampfes bei dem Heiligtum der Demeter nicht in dasselbe einzudringen vermochten, sondern vor demselben auf ungeweiheten Boden fielen, zur Strafe des von ihnen verbrannten Tempels der Demeter zu Eleusis (55). Ebenso erscheint es als eine göttliche Fügung, wenn die Nachricht von dem bei Platää erfochtenen Siege noch an demselben Tage auf außerordentlichem Wege als ein Gerücht den Hellenen bei Mykale zukommt und sie dadurch zum Kampfe ermutigt (100. 101). Auch in der grau samen Strafe, welche den Artayktes für seine Entweihung des Heiligtumes trifft, samt seinem Sohne (116. 120. 121), offenbart sich diese göttliche Gerechtigkeit. Und dieser Glaube an die göttliche Gerechtigkeit hat den Geschichtschreiber selbst in allem, was er berichtet, geleitet, um, streng gerecht, frei von aller Parteilichkeit oder Parteistellung, einzig und allein das, was ihm als wahr erschienen ist, zu berichten; und wenn er, von diesem Gerechtigkeits- und Wahrheitssinn durchdrungen, die Thaten der Spartaner, insbesondere des Pausanias, der hier als Mensch (78. 79), wie als Feldherr in einem durchaus günstigen Lichte erscheint, nach Gebühr hervorhebt, so erscheint doch auch ebenso das Verhalten der Athener, ihre aufopfernde Hingebung, mit der sie zum zweitenmal ihre Vaterstadt preisgeben und jeden Antrag des Persers abweisen, selbst bis zur Steinigung dessen, der solche Anträge in Beratung gezogen wünscht (3-5), desgleichen ihr Benehmen in dem Streit mit den Tegeaten (27-28), wo indes das gesamte Heer der Hellenen auf ihre Seite tritt, in dem schönsten und herrlichsten Lichte. Endlich dürfen wir wohl, neben dieser durchaus unparteiischen und strenggerechten Haltung der ganzen Darstellung, auch der großen Sorgfalt und Genauigkeit gedenken, mit welcher der Geschichtschreiber alle einzelnen Angaben mitteilt, wie dies, um nur einen Fall zu berühren, in der genauen Angabe der Bestandteile des hellenischen Heeres (28-30) wie des persischen (31. 32) hervortritt.

Wenn wir nun aber nach der auf diese Weise beendigten Darstellung des hellenischen Befreiungskampfes auch einen angemessenen Schluß des Ganzen erwarten, so finden wir uns darin allerdings getäuscht, indem das Ganze mit einer Erörterung schließt (122), die man, da sie auf Cyrus und die Gründung des Perserreiches sich bezieht, eher im ersten Buch erwartet hätte, als hier gerade am Schluß, wo sie durch einen äußern Zufall, durch die Erwähnung des Artayktes, an dessen Großvater sich diese Erörterung knüpft, herbeigeführt erscheint in einer immerhin etwas auffallenden, nicht näher motivierten Weise. Wollte man annehmen, daß der zu erwartende formelle Abschluß des Ganzen irgendwie verloren gegangen, wie dies bei manchen Schriftstücken des Altertums, am Anfang oder am Ende, der Fall ist, so spricht für diese Annahme durchaus keine äußere Spur: im Gegenteil, alle alten Handschriften schließen hier das Werk ab, das auch nach der Versicherung eines Schriftstellers aus dem Beginne der römischen Kaiserzeit, des Diodorus Siculus (XI, 37), mit der Belagerung von Sestus abschloß Die erwähnte Schlußerörterung (122) erscheint daher um so befremdlicher, als sie, wie bemerkt, hierher nicht paßt und einen geeigneten Schluß des Ganzen nicht giebt, auch selbst von seiten des Ausdrucks und der Sprache manchen Bedenklichkeiten Raum läßt. Und selbst wenn wir diese Zweifel nicht weiter verfolgen, sondern diese Schlußerörterung für Herodoteisch ansehen, vielleicht am nicht ganz rechten Orte angebracht, oder auch nachträglich beigefügt; so haben wir damit noch immer nicht den erwarteten passenden Abschluß des ganzen Werkes. Daß es aber in der Absicht des Schriftstellers gelegen, einen solchen zu geben, werden wir kaum bezweifeln können, und ebensowenig dann auch daran zweifeln dürfen, daß ein früher erfolgter Tod den Geschichtschreiber verhinderte, wie in anderen Fällen, wo das in früheren Teilen von ihm Versprochene sich in den späteren Teilen des Werkes nicht vorfindet[*)] , so auch hier die letzte Hand an sein Werk zu legen und den beabsichtigten, auch formellen Abschluß desselben geben, mit dem er bis an die letzten Momente seines Lebens beschäftigt war[**)] . Und wenn wir diesen Mangel mit Grund beklagen, so haben wir doch weit mehr Grund, uns des günstigen Geschickes zu freuen, durch welches uns dieses Werk, das die Grundlage unserer Kunde des hellenischen Altertums bildet, auch in dieser Gestalt erhalten worden ist, in welcher es seinem Verfasser mit vollem Rechte den Namen des Vaters der Geschichte verschafft hat.



Inhalt des neunten Buches.

Mardonius setzt sich auf die abschlägige Antwort der Athener mit seinem Heere in Bewegung von Thessalien aus wider Athen{(1)} gegen den Rat der Thebaner{(2),} und rückt zum zweitenmal in das von seinen Bewohnern verlassene Athen ein{(3),} von wo er den Murichides nach Salamis zu den geflüchteten Athenern abschickt, um diese zu einem Anschluß zu bewegen{(4);} Lycidas, der dazu rät, wird jedoch mit Frau und Kindern gesteinigt{(5).} Die Athener, die sich auch jetzt wieder nach Salamis geflüchtet hatten vor dem Andrang des persischen Heeres, schicken Gesandte nach Sparta{(6)} und bitten dort um den Beistand der Spartaner{(7),} welche indes zögern und die Gesandten hinhalten{(8),} bis Chileus aus Tega sie bestimmt{(9),} noch in der Nacht ein Heer unter Führung des Pausanias nach dem Isthmus abzuschicken{(10.11.),} wovon die Argiver den Mardonius alsbald in Kenntnis setzen{(12),} der nach der Verheerung von Attika sich wieder nach Böotien wendet{(13),} nachdem er vorher eine Exkursion nach Megara gemacht hatte{(14);} sein Weg durch Attika in die Ebene Böotien, wo er am Fluß Asopus im Gebiet von Platää sein Lager aufschlägt{(15)} und von einem Thebaner Attaginus gastlich in Theben aufgenommen wird (15); das Tafelgespräch zwischen Thersander aus Orchomenus und einem Perser{(16).} Die Ankunft der tausend Phoker im persischen Lager und ihre Behandlung{(17.18).} Das bei dem Isthmus versammelte lakedämonisch-peloponnesische Heer rückt von da über Eleusis, wo die von Salamis herübergekommenen Athener mit ihm sich vereinigen, nach Böotien und nimmt gegenüber den Persern an den Abhängen des Cithäron seine Aufstellung{(19).} Gefecht der persischen Reiterei mit den Griechen{(20.21),} wobei der Anführer der Perser, Masistius, fällt{(22)} und ein heftiger Kampf um seinen Leichnam entsteht und die Perser zuletzt zurückweichen{(23).} Trauer der Perser um Masistius{(24).} Die Hellenen ermutigt dur diesen Kampf, steigen in die Ebene von Platää herab und stellen si bei der Quelle Gargaphia und dem Heiligtum des Androkrates auf{(25).} Streit der Tegeaten und Athener um die Ehre der Aufstellung auf dem einen Flügel Gründe der Tegeaten{(26)} und der Athener{(27),} zu deren Gunsten die Entscheidung ausfällt, während die Tegeaten sich den auf dem andern (rechten) Flügel aufgestellten Lakedämoniern anreihen ; die Aufstellung der übrigen Hellenen{(28);} Zahl und Bewaffnung des hellenischen Heeres{(29.30)} Aufstellung des persischen Heeres{(31),} Zusammensetzung desselben und{(32).} Der Seher der hellenen, Titamenus aus Elis, in das spartanische Bürgerrecht aufgenommen{(33)} in ähnlicher Weise, wie Melampus früher zu einem Anteil an der königlichen Würde zu Argos gelangte{(34);} die fünf Siege, zu welchen Tisamenus den Spartanern verhilft{(35).} Die Hellenen werden durch den ungünstigen Erfolg der Opfer vom Kampfe abgehalten{(36),} ebenso auch Mardonius, der ebenfalls einen hellenischen Seher, den Hegesistratus aus Elis (dessen Schicksale), bei sich hat{(37),} sowie die auf seiner Seite stehenden Hellenen den Seher Hippomachus; der Rat des Thebaners Timagenidas{(38),} infolgedessen Mardonius durch seine Reiterei den Hellenen die Zufuhr abschneidet{(39)} und sie vielfach belästigt{(40).} Mardonius, ungeduldig über den längeren Verzug, entscheidet sich für eine baldige Schlacht, ungeachtet des Widerrates des Artabazanus und unbekümmert um den Erfolg der Opfer{(41.42),} wie um die hellenischen Weissagungen{(43).} Alexander von Macedonien erscheint des Nachts im Lager der Athener und gibt diesen davon Nachricht{(44.45).} Beratung der athenischen Feldherren mit Pausanias und infolgedessen ein Wechsel in der Stellung der Lakedämonier und Athener{(46.47);} Spott des Mardonius darüber in der Absendung eines Heroldes an die Spartaner{(48).} Angriffe der persischen Reiterei auf die Hellenen welche dadurch, wie auch durch Verschüttung der Quelle Gargaphia, sehr belästigt werden{(49).} Infolgedessen Beratung der Feldherren{(50),} und der Entschluß, die bisherige Aufstellung zu verlassen und auf der Insel Oeroe sich aufzustellen{(51).} Nächtlicher Aufbruch der Hellenen; der eine Haufe im Centrum nähert sich der Stadt{(52);} der rechte Flügel (der Lakedämonier und Tegeaten) sowie der linke Flügel (der Athener), durch die Weigerung des Amompharetus aufgehalten rücken endlich an ihre Stelle{(53-56),} und Amompharetus folgt{(57).} Mardonius, voll von Verachtung der Gegner{(58),} läßt die Perser zum Angriff über den Asopus vorrücken{(59).} Die Lakedämonier rufen die Athener zum Beistand herbei{(60);} diese werden dur den Angriff der mit den Persern verbündeten Hellenen aufgehalten; inzwischen harter Kampf und schwere Verluste der Lakedämonier{(61).} Günstigere Wendung des Kampfes{(62);} Mardonius fällt und die Perser werden in die Flucht geschlagen{(63-65).} Artabazus wendet sich darauf mit seiner Abteilung von vierzigtausend Mann der Flucht zu{(66).} Das Verhalten der auf Seite der Gegner stehenden Hellenen{(67);} die Hauptmacht der Gegner lag in den Persern{(68).} Heranrücken der übrigen Hellenen beendigtem Hauptkampf, der Angriff der thebanischen Reiterei auf die Megareer und Phliasier{(69).} Eroberung des persischen verschanzten Lagers und Vernichtung des persischen Heeres; beiderseitige Verluste{(70).} Ausgezeichnete Kämpfer auf beiden Seiten, namentlich auf Seiten der Hellenen{(71-75),} insbesondere Sophanes aus Athen (73 — 75). Ein koisches Weib durch Pausanias befreit{(76).} Ankunft der Mantineer und Eleer nach der Schlacht, und Bestrafung ihrer Anführer{(77).} Der Vorschlag des Lampon, hinsichtlich des Leichnams des Mardonius{(78),} von Pausanias abgewiesen{(79).} Große Beute der Hellenen und Schlauheit der Agineten{(80)} und Verteilung{(81).} Das persische und das spartanische Mahl des Pausanias{(82).} Spätere Funde und merkwürdige Knochenreste{(83).} Der Leichnam des Mardonius{(84).} Die Gräber der Hellenen bei Platää{(85).} Das Heer der Hellenen rückt vor Theben und verlangt Auslieferung der persisch gesinnten Rädelsführer, von denen Attaginus entrinnt, die übrigen aber von Pausanias hingerichtet werden{(86-88).} Rückkehr des Artabazus mit seinem Herreshaufen nach Asien{(89).}

Gesandt ast der Samier nach Delos an die Anführer der dort liegenden hellenischen Flotte, Jonien zu befreien{(90} : infolgedessen Abschluß eines Bündnisses mit den Samiern{(91.92),} und Abfahrt auf den Rat des Sehers Deiphonus, eines Sohnes des Euonius (92); die Schicksale dieses von seinen Mitbürgern geblendeten Euonius{(93.94);} dessen Sohn Deiphonus{(95).} Ankunft der hellenischen Flotte zu Samus und Flucht der Perser nach Mykale zu dem Landheer{(96);} Bergung der Flotte und Verschanzung der Perser{(97).} Des Leutychides Aufruf an die Ionier zum Abfall{(98).} Landung der Hellenen und Maßnahmen ahmen der Perser gegen die in ihrem Heer dienenden Samier und Milesier{(99).}

Wunderbares Gerücht von dem Sieg der Hellenen bei Platää{(100.101).} Heftiger Kampf, der mit der völligen Niederlage der Perser endigt, zu welcher auch Samier und Milesier beitragen{(102-104).} Angaben der ausgezeichnetsten Kämpfer{(105);} Rückkehr der hellenischen Flotte, und Beratung über das Schicksal Joniens, das in die hellenische Eidgenossenschaft aufgenommen wird{(106).} Rückkehr der Perser nach Sardes; Streit des Masistes und Artayntas{(107).} Die Liebschaften des Xerxes mit der Frau des Masistes und dann mit deren Tochter; grausame Behandlung der ersteren durch Amestris und Tod des Masistes{(108-113).}

Die hellenische Flotte segelt nach dem Hellespont, worauf die Peloponnesier heimkehren, die Athener aber Sestus belagern{(114),} wohin sich viele Perser geflüchtet hatten{(115).} Der persische Statt alter Artayktes und sein gottloses Verhalten{(116);} die Belagerung zieht sich in die Länge{(117),} bis endlich die Perser die Stadt verlassen, welche die Athener besetzen{(118).} Schicksal der flüchtigen Perser{(119).} Artayktez gefangen und gekreuzigt, sein Sohn gesteinigt{(120).} Rückkehr der Athener{(121).} Der Rat des Artembares, des Großvaters des Artayktes, an Cyrus, den Gründer der persischen Monarchie{(122).}


Neuntes Buch. Kalliope.


1.

Als Alexander nach seiner Rückkehr dem Mardonius die Antwort der Athener[*)] gemeldet hatte, brach dieser von Thessalien auf[**)] und führte mit Eile sein Heer gegen Athen; wen er aber auf seinem Wege traf, den nahm er mit[***)] . Die Thessalischen Fürsten[†)] indessen bereiteten gar nicht, was sie vorher gethan hatten, sondern trieben den Perser noch weit mehr an; und Thorax von Larissa, welcher den Xerxes auf seiner Flucht geleitet hatte, ließ damals ganz offen den Mardonius nach Hellas hinein ziehen.



2.

Alg aber das Heer auf seinem Zuge in dem Lande der Böotier sich befand, suchten die Thebaner den Mardonius zurückzuhalten und gaben ihm ihren Rat dahin, daß es für ihn keinen besseren Platz gäbe zum Aufschlagen des Lagers, als hier; sie wollten ihn daher nicht weiter ziehen lassen, sondern meinten, er solle hier sich festsetzen und alles aufbieten, ohne Schwertstreich das ganze Hellas sich zu unterwerfen. Denn es ist schwer, selbst für die ganze Welt, mit Gewalt die Hellenen zu besiegen, wenn sie Eines Sinnes sind, wie sie dies auch vorher erkannten. Wirst du aber (sprachen sie) das thun, was wir raten, so wirst du ohne Anstrengung Herr werden über alle ihre Anschläge. Sende Geld an die Männer welche in den Städten von Macht und Einfluß sind: dadurch wirft du Hellas entzweien und alsdann diejenigen, welche nicht auf deiner Seite sind, mit Leichtigkeit zugleich mit deinen Anhängern unterwerfen.



3.

Diesen Rat gaben sie ihm: er aber ließ sich nicht bewegen, weil ein gewaltiges Verlangen ihn ergriffen hatte, Athen zum zweitenmal zu erobern, teils infolge seines Unverstandes, teils auch weil er gedachte mit Fackeln[*)] über die Inseln hin dem König, während er noch zu Sardes wäre, melden zu können, daß er im Besitz von Athen sei. Aber auch damals fand er bei feiner Ankunft in Attika die Athener nicht mehr, sondern vernahm, daß die meisten zu Salamis und auf den Schiffen sich befänden, und so nahm er die verlassene Stadt ein. Zehn Monate vor diesem späteren Kriegszug des Mardonius hatte die Eroberung durch den König stattgefunden



4.

Als Mardonius zu Athen sich befand, schickte er nach Salamis den Murichides, einen Hellespontier, mit denselben Vorschlägen, welche auch Alexander der Macedonier den Athenern überbracht hatte. Diese Vorschläge ließ er zum zweitenmal ihnen zugehen, obwohl er vorher schon die nicht freundliche Gesinnung der Athener kannte, aber der Hoffnung war, sie würden von ihrem Unverstand nachlassen, weil das ganze attische Land mit den Waffen erobert sei und bereits in seiner Gewalt sich befinde: deshalb schickte er den Murichides nach Salamis.



5.

Dieser; als er vor den Rat getreten war meldete die Aufträge von Mardonius, worauf einer von den Ratsherren[*)] , Lycidas, seine Ansicht dahin aussprach, daß es ihm besser zu fein scheine, den Vorschlag, welchen Murichides ihnen überbringe, anzunehmen und dem Volke vorzulegen. Diese Ansicht nun sprach er aus, sei es, daß er Geld von Mardonius empfangen hatte, ober weil es Stich ihn so bedünkte. Aber dies kam sofort den Athenern gar zu arg vor, sowohl denen vom Rat als auch außerhalb desselben, sowie sie es vernommen hatten; sie umstellten den Sycidas und steinigten ihn zu Tode, den Hellespontier Murichides aber schickten sie zurück, ohne ihm ein Leid anzuthun. Alg nun auf Salamis ein Lärmen entstanden war hinsichtlich des Lycidas, und die Weiber der Athener den Vorfall erfuhren, forderten sie einander auf und die eine nahm die andere mit, worauf sie, von selbst und unaufgefordert, zu dem Hause des Lycidas eilten und dessen Frau und Kinder steinigten.



6.

Nach Salamis aber waren die Athener auf folgende Weise übergesetzt. So lange sie auf das Heer warteten, welches aus dem Peloponnes zu ihrem Beistand kommen sollte, blieben sie in Attika; als aber jene zu lange machten und immer mehr zögerten, während der Perser heranzog und schon in Böotien sein sollte, da erst brachten sie alles weg in Sicherheit und setzten selbst über nach Salamis: dann schickten sie Boten nach Lacedämon, welche einerseits über die Lacedämonier sich beschweren sollten, weit sie es hätten zugesehen, daß der Barbar in Attika eingefallen und doch nicht ihm entgegen gegangen wären nach Böotien; anderseits aber auch sie an das erinnern sollten, was der Perser ihnen *) versprochen hätte zu geben, wenn sie zu ihm übergehen würden, und ihnen zu erklären, daß, wenn sie den Athenern keinen Beistand leisten würden, diese selber schon irgend eine Hilfe finden würden.



7.

Denn es begingen die Lacedämonier zu dieser Zeit ein Fest und feierten die Hyacinthien[**][);] sie legten aber den höchsten Wert darauf den Dienst des Gottes zu besorgen; zugleich auch bauten sie die Mauer an dem Isthmus[***] ), welche schon Brustwehren erhielt.

Als aber die von Athen aus geschickten Boten nach Lacedämon gekommen waren, zugleich mit den Boten von Megara und von Platää, die sie mit sich brachten, traten sie vor die Ephoren[†)] und sprachen folgendes: (s 1.) Die Athener haben uns geschickt, euch zu sagen, daß der König der Meder uns das Land zurückgeben und uns auch zu seinem Verbündeten machen will unter gleichen Rechten, ohne List und Trug: ja er will uns noch anderes Land zu dem unsrigen geben, was wir nur haben wollen. Wir haben aber, aus Scheu vor dem hellenischen Zeus[††] ), und weil es uns gar zu arg dünkte, an Hellas einen Verrat zu begehen, nicht zugesagt, sondern abgelehnt, wiewohl wir von den Hellenen nicht recht behandelt und im Stich gelassen werden, auch selbst wissen, daß es vorteilhafter ist mit dem Perser einen Vertrag einzugehen, als mit ihm Krieg zu führen. (s 2.) Wir werden jedoch nimmermehr freiwillig einen Vertrag mit ihm eingehen, und von unserer Seite soll in dieser Weise offen und ehrlich gegen die Hellenen gehandelt werden. Ihr waret damals[*)] in die größte Furcht geraten, wir möchten mit dem Perser einen Vertrag eingehen, und nun, da ihr unsere Gesinnung klar kennen gelernt, daß wir Hellas nie verraten werden, und da die Mauer, die für euch durch den Isthmus geführt wird, vollendet ist, bekümmert ihr euch durchaus nicht um die Athener, und nachdem ihr euch mit uns dahin verständigt habt, dem Perser nach Böotien entgegen zu ziehen, habt ihr uns im Stich gelassen und lasset den Barbaren in das attische Land einfallen. Daher grollen euch jetzt nun die Athener; denn ihr habt nicht recht gehandelt: nun aber haben sie euch gebeten, so schnell als möglich zugleich mit uns ein Heer abzusenden, damit wir den Barbaren in Attika empfangen. Denn da wir um Böotien gekommen sind, ist in unserem Lande die thriasische Ebene[**)] der gelegenste Punkt, um eine Schlacht zu liefern.



8.

Als die Ephoren dies gehört hatten, verschoben sie die Antwort auf den folgenden Tag, und am folgenden Tag wieder auf den andern: und so trieben sie es zehn Tage lang, indem sie von einem Tag auf den andern es verschoben. Während dieser Zeit arbeiteten sie an der Mauer an dem Isthmus, wobei alle Peloponnesier großen Eifer zeigten. Und so kamen sie damit zu Ende. Ich vermag aber darüber, daß sie, als Alexander der Macedonier nach Athen gekommen war so großen Eifer anwendeten, die Athener abzuhalten, Partei für die Meder zu ergreifen, dann aber sich gar nicht weiter um sie kümmerten, keinen andern Grund anzugeben, als den, daß sie, nachdem der Isthmus mit einer Mauer von ihnen versehen war, die Athener nicht mehr nötig zu haben glaubten: denn als Alexander nach Attika gekommen war, war die Mauer, welche den Isthmus abschloß, noch nicht fertig, obwohl sie sehr daran arbeiteten aus Furcht vor den Persern.



9.

Am Ende ging es mit der Antwort und dem Auszug der Spartaner auf folgende Weise. Vor dem Tage, an welchem sie zum letztenmal vor die Ephoren treten wollten, erfuhr Chileus, ein Tegeate, welcher zu Lacedämon unter den Fremden das größeste Ansehen besaß, von den Ephoren den ganzen Antrag der Athener, und als dies Chileus vernommen hatte, sprach er dann zu ihnen folgendes: Ihr Ephoren! also verhält sich die Sache: sind die Athener uns nicht befreundet, sondern mit den Barbaren verbündet, so sind, wenn auch eine noch so starke Mauer durch den Isthmus geführt ist, doch die Pforten des Peloponnes dem Perser völlig geöffnet[*)] . Darum hört auf die Athener, ehe sie einen andern Beschluß fassen, welcher für Hellas Verderben bringt.



10.-11

Diesen Rat gab er ihnen; sie aber nahmen die Rede sich zu Herzen und schickten sogleich, ohne den Boten, die von den Städten gekommen waren, etwas zugesagt zu haben, noch in der Nacht fünftausend Spartaner ab, nachdem sie einem jeden sieben Heloten zugeordnet[**] ) und dem Pausanias, dem Sohne des Kleombrotus, die Führung anvertraut hatten. Es kam zwar der Oberbefehl dem Plistarchus, dem Sohne des Leonidas zu, allein dieser war noch ein Kind, jener aber sein Vormund und Vetter. Denn Kleombrotus, des Pausanias Vater, der Sohn des Anaxandridas[***] ), war nicht mehr am Leben, sondern nachdem er von dem Isthmus das Heer, welches die Mauer gebaut hatte, heimgeführt, lebte er hernach nicht lange Zeit mehr, und starb. Kleombrotus aber führte das Heer von dem Isthmus heim aus folgendem Grunde: Als er ein Opfer darbrachte wider den Perser; ward die Sonne andern Himmel verfinstert[*] ). Pausanias nahm sich noch dazu den Euryanax, den Sohn des Dorieus, einen Mann, der aus demselben Hause war. So waren nun diese hinausgezogen aus Sparta mit Pausanias.


***
11.

Als der Tag angebrochen war; so begaben sich die Boten, welche nichts über den Auszug vernommen hatten, zu den Ephoren, weil sie die Absicht hatten ebenfalls wegzugehen, ein jeder in seine Heimat. Als sie nun zu den Ephoren gekommen waren, sprachen sie folgendes: Ihr Lacedämonier, bleibt also hier, feiert die Hyacinthien[**][)] und treibet Scherz, nachdem ihre eure Verbündeten im Stich gelassen habt: die Athener aber, da sie von euch so unrecht behandelt und von den Verbündeten verlassen sind, werden suchen, so gut sie nur können, mit dem Perser sich auszusöhnen. Wenn wir uns aber ausgesöhnt haben, werden wir weil wir dann offenbar Verbündete des Königs werden, mit den Persern zu Felde ziehen, wohin uns diese nur führen. Ihr aber werdet dann erst erfahren, welche Folgen dies für euch haben wird. Als dies die Boten erklärten, gaben die Ephoren ihnen die eidliche Versicherung, daß nach ihrem Ermessen die Spartaner auf ihrem Auszug wider die Fremden schon bei dem Oresteium[***] ) sein müßten: Fremde nämlich nannten sie die Barbaren. Jene aber, weil sie von allem nichts wußten, erkundigten sich näher über diese Antwort, und auf ihre Frage erfuhren sie die ganze Wahrheit, so daß sie in Verwunderung gerieten und auf das schleunigste ihnen nachreisten; zugleich mit ihnen zogen fünftausend auserlesene Schwerbewaffnete von den umwohnenden Lacedämoniern[*)] ebenfalls aus.




12.

Diese eilten nun nach dem Isthmus. Die Argiver aber, sowie sie vernommen hatten, daß Pausanias mit seinem Heere aus Sparta ausgezogen sei, schicken einen Herold, den besten Schnellläufer[**] ), den sie ausfindig gemacht hatten, nach Attika, weil sie früher von selbst dem Mardonius versprochen hatten, den Spartaner abzuhalten vom Auszug[***][).] Als dieser nach Athen gekommen war, sprach er folgendes: Mardonius! mich haben die Argiver geschickt, um dir zu sagen, daß aus Lacedämon die junge Mannschaft ausgezogen ist, und die Argiver nicht im stande sind, sie von dem Auszug abzuhalten. Demzufolge überlege dir nun alles wohl. Nachdem er dies gesprochen hatte, ging er wieder nach Hause.



13.

Mardonius aber war keineswegs mehr geneigt, in Attika zu bleiben, als er dies gehört hatte. Ehe er nämlich diese Nachricht erhalten hatte, war er nicht zurückgegangen, weil er zu erfahren wünschte, was von seiten der Athener geschehen würde; daher verheerte er das attische Land gar nicht und fügte ihm keinen Schaden zu, weil er während der ganzen Zeit noch der Hoffnung war, sie würden mit ihm einen Vertrag eingehen. Als er sie aber dazu nicht brachte und die ganze Sache erfahren hatte, zog er; noch ehe Pausanias mit seinem Heer nach dem Isthmus gelangt war, ab, nachdem er Athen verbrannt, und da, wo noch etwas aufrecht stand von Mauern, oder Wohnungen, oder Tempeln, alles niedergeworfen und zerstört hatte. Er zog aber aus dem Grunde ab, weil das attische Land[†)] für die Reiterei nicht geeignet war und ihm, wenn er in einer Schlacht besiegt würde, kein anderer Rückzug bliebe, als durch Engpässe[*)] , wo eine geringe Zahl von Leuten ihn aufhalten könnte. Er beschloß daher nach Theben zurückzuziehen, um in der Nähe einer befreundeten Stadt und in einer für die Reiterei geeigneten Gegend sich zu schlagen.



14.

Also zog Mardonius ab. Wie er aber schon auf dem Wege war, kam eine Botschaft durch einen Eilboten, daß ein anderes Heer von tausend Lacedämoniern nach Megara gekommen sei. Wie er dies hörte, überlegte er es sich, ob er diese, wie er wünschte; zuerst gefangen nehmen könnte. Er kehrte daher um und führte sein Heer nach Megara, während die vorauseilende Reiterei das megarische Land durchstreifte. Das war der äußerste Punkt in Europa nach Sonnenuntergang, bis zu welchem dieses persische Heer gelangte.



15.

Nachher aber kam dem Mardonius eine andere Botschaft; daß die Hellenen versammelt wären auf dem Isthmus: so nun zog er zurück durch Decelea[**] ). Die Böotarchen[***] ) nämlich hatten die Anwohner der Asopier[*)] zu sich rufen lassen und diese führten ihn den Weg nach Sphendaleä und von da nach Tanagra: in Tanagra blieb er die Nacht und wendete sich am folgenden Tage nach Skolus, wo er im Lande der Thebaner war. Hier aber verheerte er das Land der Thebaner obwohl diese medisch gesinnt waren, nicht sowohl aus Feindschaft gegen sie, sondern durch große Not dazu gedrängt, weil er eine Verschanzung für sein Heer anlegen wollte, welche, wenn die Schlacht für ihn nicht so ausfiele, wie er es wünschte, ihm als Zufluchtsort bienen sollte. Es erstreckte sich aber sein Lager von Erythrä, wo es anfing, an Hysiä[**] ) vorbei bis nach dem platäischen Gebiet, wo es sich längs des Flusses Asopus hinzog. Jedoch ließ er die Mauer nicht in dieser ganzen Ausdehnung anlegen, sondern ungefähr zehn Stadien lang auf jeder Seite.

Während die Barbaren mit dieser Arbeit beschäftigt waren, lud Attaginus, des Phrynon Sohn, ein Thebaner den Mardonius selbst und fünfzig der angesehensten Perser zu einem Gastmahl ein, wozu er große Vorbereitungen gemacht hatte. Es folgten auch dieselben der Einladung: das Mahl ward aber abgehalten zu Theben.



16.

Das übrige nun hörte ich von Thersander; einem Orchomenier, und einem der angesehensten Männer zu Orchomenus. Thersander nämlich erzählte, er sei ebenfalls von Attaginus zu diesem Mahle eingeladen worden: auch fünfzig Thebaner seien eingeladen worden: es habe nun Attaginus sie nicht getrennt von einander an die Tafel gesetzt, sondern auf jedes Sofa einen Perser und einen Thebaner[***)] : als sie aber nach beendigtem Mahle mit einander zechten, habe der Perser, der mit ihm auf dem gleichen Sofa gelegen ihn in hellenischer Sprache gefragt, was für ein Landsmann er sei, und darauf habe er geantwortet, er sei aus Orchomenus; da habe jener zu ihm gesagt: Da du mit mir an einem und demselben Tische gegessen und aus einem und demselben Becher gespendet hast, so will dir eine Erinnerung an meine Gesinnung zurücklassen, damit du im voraus es weißt und in bezug auf die kommenden Ereignisse für dich sorgen kannst. Du siehst diese Perser schmausen und das Heer; das wir verlassen haben, am Flusse gelagert: von allen diesen wirst du, wenn wenige Zeit dazwischen verlaufen ist, nur noch wenige sehen, welche übrig geblieben sind[*][).] Und wie der Perser diese Worte gesprochen, habe er viele Thränen vergossen. Er selbst aber habe sich über diese Rede verwundert und zu ihm gesagt: hätte man denn dies nicht dem Mardonius sagen sollen, und denen, welche nach ihm in Ansehen stehen unter ben Persern? worauf derselbe erwiderte: o Gastfreund! was nach Gottes Ratschluß geschehen soll, das abzuwenden ist dem Menschen unmöglich[**] ). Denn selbst denen, welche Glaubwürdiges sagen, will niemand glauben. Viele von uns Persern wissen dies wohl, aber wir folgen gezwungen der Notwendigkeit; das ist eben der herbste Schmerz unter allen auf der Welt, daß man, auch bei aller Einsicht, doch über nichts Herr ist. Dieses hörte ich von dem Orchomenier Thersander, und außerdem noch, daß derselbe dies sogleich manchen Leuten erzählte, noch ehe die Schlacht bei Platää stattgefunden hatte.



17.-18

Während Mardonius noch in Böotien gelagert war stellten die übrigen Hellenen, so viele deren unter den dort wohnenden medisch gesinnt waren, Kriegsvolk, und waren mit Mardonius in Athen eingefallen: nur die Phoker hatten den Einfall nicht mitgemacht Denn sie waren zwar ganz und gar medisch gesinnt, wenn auch nicht aus freien Stücken, sondern aus Not. Aber nicht viele Tage nach der Ankunft des Heeres zu Theben trafen tausend Schwerbewaffnete von ihnen ein, welche Harmocydes, der angesehenste Mann unter feinen Mitbürgern, führte. Als sie nun nach Theben gekommen waren, schickte Mardonius Reiter ab, mit dem Befehl, sie sollen in der Ebene, abgesondert von den andern, für sich lagern. Kaum hatten sie dies gethan, so erschien alsbald die gesamte Reiterei; hernach aber verbreitete sich durch das Lager der mit Mardonius verbündeten Hellenen die Nachricht, er würde sie zusammenschießen lassen. und eben dies Gerücht verbreitete sich auch unter den Phokern selbst. Da nun ermahnte sie ihr Feldherr Harmocydes mit folgenden Worten: O Phoker! da es klar ist, daß diese Menschen uns einen offenbaren Tod bereiten wollen, infolge einer Verleumdung, die, wie ich vermute, von den Thessaliern ausgegangen ist, so muß jetzt ein jeder von euch sich als einen tapferen Mann zeigen: denn es ist besser, in tapferer Gegenwehr sein Leben zu endigen, als sich hinzugeben dem schimpf Tode und Untergang; aber auch von ihnen soll mancher erfahren, daß sie die Barbaren sind, die den Tod hellenischen Männern durch Hinterlist bereitet haben.


***
18.

In dieser Weise nun ermahnte er sie. Die Reiter aber rückten, nachdem sie sie umschlossen hatten, heran, um sie zu vernichten, und spannten schon ihre Bogen, um sie abzuschießen; auch mochte wohl mancher schon geschossen haben: Jene aber stellten sich ihnen entgegen, nachdem sie von allen Seiten sich zusammengezogen und in eine möglichst dichte Schar zusammengedrängt hatten. Darauf zogen sich die Reiter zurück und ritten davon. Ich kann es nun nicht mit Bestimmtheit angeben, ob sie wirklich gekommen waren, die Phoker zu ermorden, und zwar auf Verlangen der Thessalier — denn als sie sahen, daß die Phoker sich zur Gegenwehr wendeten, so ritten sie aus Furcht, es möchten auch sie Verluste erleiden, dann erst wieder zurück, weil es Mardonius ihnen so aufgetragen hatte —, oder ob er an ihnen den Versuch machen wollte, ob sie einigermaßen tapfere Leute wären. Als aber die Leute zurückgeritten waren, schickte Mardonius einen Herold und ließ ihnen folgendes sagen: Seid guten Mutes, ihr Phoker! denn ihr habt euch als tapfere Männer gezeigt, nicht so, wie ich vernommen hatte. Und jetzt wendet euch mit allem Eifer diesem Kriege zu, denn an Wohlthaten werdet ihr weder mich, noch den König übertreffen[*] ). Dies war der Vorfall mit den Phokern.




19.

Als die Lakedämonier nach dem Isthmus gekommen waren, schlugen sie auf demselben ihr Lager auf. Wie dies die übrigen Peloponnesier; welche gut gesinnt waren, und von denen auch einige den Auszug der Spartaner gemerkt hatten, vernahmen, hielten sie es nicht für Recht, hinter dem Auszug der Lakedämonier zurückzubleiben. Darauf nun zogen vom Isthmus, nachdem die Opfer günstig ausgefallen waren, alle aus und gelangten nach Eleusis; nachdem sie auch hier Opfer dargebracht und diese günstig ausgefallen waren, setzten sie ihren Weg fort, zugleich mit ihnen auch die Athener, welche von Salamis herübergesetzt und bei Eleusis mit ihnen sich vereinigt hatten. Wie sie nun nach Erythrä in Böotien[**)] gekommen waren, und hier vernahmen, daß die Barbaren am Asopus gelagert seien, stellten sie sich, in Erwägung dessen, ihnen gegenüber am Fuße des Cithäron auf.



20.-21

Als nun die Hellenen nicht in die Ebene herabstiegen, schickte Mardonius wider sie die ganze Reiterei, welche Masistius befehligte, den die Hellenen Makistius nennen, ein angesehener Mann bei den Persern, der ein Nisäisches Roß[***] ) ritt, das einen goldenen Zügel hatte und auch sonst herrlich geschmückt war. Wie nun hier die Reiter wider die Hellenen heranzogen, griffen sie in einzelnen Geschwadern an und fügten bei diesem Angriff den Hellenen großen Schaden zu, nannten sie auch spöttisch Weiber[†] ).


***
21.

Zufällig waren hier gerade die Megarer aufgestellt, und war dies der angreifbarste Punkt in der ganzen Gegend; daher auch hier zunächst der Angriff der Reiterei stattfand. Wie nun die Reiterei sich auf sie warf, schickten die Megarer, gedrängt, zu den Feldherren der Hellenen einen Herold. Und sprach der Herold, so wie er angekommen war zu denselben folgendes: Die Megarer lassen euch sagen: Ihr Verbündete; wir sind nicht im stande, allein den Angriff der persischen Reiterei aufzunehmen in der Stellung, die wir von Anfang an eingenommen. Aber doch haben wir bis jetzt mit Standhaftigkeit und Tapferkeit ausgehalten, obwohl bedrängt. Jetzt aber, wenn ihr nicht andere schickt, welche an unserer Stelle in die Reihe eintreten, so wisset, wir werden die Stellung verlassen. Dieser nun meldete ihnen dies. Pausanias aber hielt Anfrage bei den Hellenen, ob etwa andere freiwillig an diese Stelle treten und die Megarer in ihrer Aufstellung ablösen wollten, und als die andern nicht wollten, so übernahmen es die Athener, und zwar die dreihundert Auserwählten der Athener, deren Führer Olympiodorus, des Lampon Sohn, war.




22.

Diese waren es, welche es auf sich nahmen und vor die übrigen anwesenden Hellenen zu Erythrä sich aufstellten, nachdem sie noch die Bogenschützen zu sich genommen hatten. Auch stritten sie eine Zeitlang, bis der Kampf folgendes Ende nahm. Als die Reiterei geschwaderweise heranstürzte, ward das Pferd des Masistius, welches vor den übrigen voraus war, durch einen Bogenschuß an den Weichen getroffen; vor Schmerz bäumt es sich aufrecht und wirft den Masistius herunter. Sowie er aber abgefallen war, drangen sogleich die Athener auf ihn ein, nahmen sein Pferd und erschlugen ihn selbst nach einer Gegenwehr, nachdem sie am Anfang es nicht vermocht hatten. Denn er war folgendermaßen gerüstet: er hatte auf dem Leib einen goldenen Schuppenpanzer[*)] , und über den Panzer hatte er einen purpurnen Rock angethan. Wie sie ihm nun auf den Harnisch schlugen, konnten sie ihm nichts anthun, bis einer bemerkte, wie dies zuging und ihm in das Auge schlug: so fiel er und starb. Dieser Vorfall war aber den übrigen Reitern unbekannt geblieben, denn sie hatten ihn weder vom Pferde fallen, noch sterben gesehen; und als die Umkehr und der Rückzug erfolgte, bemerkten sie nicht, was vorgefallen war. Als sie sich aber stellten, vermißten sie ihn alsbald, da niemand da war, welcher sie ordnete. Als sie nun den Vorfall erfahren hatten, ermunterten sie sich und spornten alle die Pferde an, um den Leichnam wenigstens davon bringen zu können.



23.

Als aber die Athener sahen, daß die Reiter nicht mehr nach Geschwadern heranrückten, sondern alle zusammen, riefen sie das übrige Heer zum Beistand herbei. Während der Zeit nun, als das gesamte Fußvolk herbeieilte, entstand ein heftiger Kampf um den Leichnam. So lange die Dreihundert allein waren, waren sie völlig im Nachteil und ließen den Leichnam im Stich; als aber die Masse ihnen zu Hilfe gekommen war da fielen die Reiter nicht mehr aus und es war ihnen nicht möglich, den Leichnam wegzubringen, sondern zu diesem verloren sie noch andere Reiter. Nachdem sie also eine Strecke von etwa zwei Stadien[*)] zurückgewichen waren, überlegten sie untereinander; was sie thun sollten, und beschlossen dann, weil kein Oberbefehl da war, zu dem Mardonius zurückzukehren.



24.

Als aber die Reiterei in das Lager gekommen war trauerte um den Masistius das ganze Heer und Mardonius ganz besonders: sie schoren sich selbst das Haupt, sowie den Pferden und dem Zugvieh, und erfüllten alles mit gewaltiger Klage: denn der Wiederhall drang durch ganz Böotien, weil sie einen Mann verloren hätten, der nach Mardonius wenigstens bei den Persern und bei dem König am angesehensten war. Auf diese Weise nun ehrten die Barbaren den Masistius nach dem Tode.



25.

Als die Hellenen den Angriff der Reiterei ausgehalten und diese sogar zurückgetrieben hatten, faßten sie weit mehr Mut; dann legten sie zuerst den Leichnam in einen Wagen und führten ihn an den Reihen vorbei: der Leichnam war aber sehenswert wegen seiner Größe und Schönheit; und deswegen thaten sie es auch: sie traten aus den Reihen heraus und kamen herbei, um den Masistius zu betrachten. Hernach aber beschlossen sie herabzusteigen nach Platää. Denn die Gegend um Platää erschien ihnen weit geeigneter, um dann das Lager aufzuschlagen als die Gegend von Erythrä, sowohl im übrigen, als auch wegen des besseren Wassers. In diese Gegend nun und nach der Quelle Gargaphia[*)] , welche in dieser Gegend sich befindet; beschlossen sie sich zu begeben, hier sich zu ordnen und das Lager aufzuschlagen. Sie nahmen darauf ihre Waffen und rückten durch den Abhang des Cithäron an Hysiä vorbei in das Platäische Gebiet, und als sie daselbst angekommen waren, ordneten sie sich nach den einzelnen Völkern in der Nähe der Quelle Gargaphia und des Heiligtums des Heros Androkrates auf nicht hohen Hügeln und ebenem Land.



26.

Hier bei der Aufstellung entstand ein gewaltiger Wortstreit der Tegeaten und der Athener: denn beide sprachen für sich das Recht an, den einen Flügel zu haben, wobei sie aus neuer und alter Zeit ihre Thaten vorbrachten. Zuerst sprachen die Tegeaten folgendes: Wir sind stets dieser Stellung für würdig erachtet worden unter allen Verbündeten, so viele gemeinschaftliche Auszüge die Peloponnesier gemacht haben, in alter wie neuer Zeit, von jener Zeit an, als die Herakliden nach dem Tode des Eurystheus versuchten, in den Peloponnes einzudringen: damals haben wir dies um folgender That willen erlangt. Als wir in Verbindung mit den Achäern und Ioniern, welche damals im Peloponnes wohnten[**)] , nach dem Isthmus eilten, und den Eindringenden uns entgegenstellten, da, erzählt man, habe Hyllus[***)] vor allen erklärt, es sei nicht nötig, daß das eine Heer sich in die Gefahr eines Kampfes mit dem andern begebe; aus dem Lager der Peloponnesier solle derjenige, den sie für den Tapfersten hielten, mit ihm einen Zweikampf bestehen unter bestimmten Bedingungen. Es beschlossen darauf die Peloponnesier, dies zu thun, und verbanden sich eidlich dazu unter folgender Bestimmung: wenn Hyllus den Anführer der Peloponnesier besiege, sollten die Herakliden heimkehren zu ihrem natürlichen Erbe; wenn er aber besiegt würde, so sollten umgekehrt die Herakliden abziehen und ihr Heer abführen, auch innerhalb hundert Jahren keinen Versuch der Rückkehr in den Peloponnes machen. Da wurde nun unter allen Verbündeten freiwillig erwählt Echemus, des Aeropus Sohn, des Sohnes des Phegeus, der Feldherr war und unser König; er trat in den Zweikampf ein und tötete den Hyllus. Von dieser That her haben wir bei den damaligen Peloponnesiern nicht nur andere große Ehren erlangt, die wir fortwährend besitzen, sondern auch die, daß wir stets den linken Flügel führen, wenn ein gemeinsamer Auszug stattfindet. Euch nun, o Lakedämonier, treten wir nicht entgegen, sondern wir treten zurück, indem wir euch die Wahl lassen, welchen von beiden Flügeln ihr führen wollt; wir behaupten aber; daß es uns zukomme, den andern zu führen, wie auch in der früheren Zeit Und selbst außer dieser angeführten That verdienen wir doch weit eher, als die Athener, diese Stellung einzunehmen. Denn viele und herrliche Kämpfe haben wir mit euch, Spartaner, gekämpft, viele auch mit andern; daher ist billiger; daß wir den einen Flügel haben, als die Athener. Denn sie haben nicht solche Thaten, wie wir vollbracht, weder in neuer noch in alter Zeit



27.

Dieses sprachen sie; die Athener aber antworteten darauf folgendes: Wir wissen wohl, daß wir hier zusammengekommen sind, zum Kampf mit den Barbaren, aber nicht zu einem Streit mit Worten. Weil aber der Tegeate in seiner Erzählung verdienstliche Thaten aus alter und neuer Zeit vorgebracht hat, wie sie von jedem der beiden zu jeder Zeit vollbracht worden sind, so tritt für uns die Notwendigkeit ein, darzulegen vor euch, warum es uns, die wir stets tüchtig waren, als ein Erbe unserer Väter zukommt, eher die ersten zu sein, als die Arkadier. Erstlich haben wir die Herakliden, deren Führer diese auf dem Isthmus erschlagen zu haben behaupten, schon früher, wie sie von allen Hellenen verstoßen waren, zu welchen sie kamen auf der Flucht vor der Knechtschaft der Mykenäer allein aufgenommen, und dann dem Wermut des Eurystheus ein Ende gemacht[*)] , nachdem wir in Verbindung mit ihnen die, welche damals den Peloponnes inne hatten, besiegt hatten. Zum andern, als die Argiver[**)] , welche mit Polyneikes nach Theben gezogen waren, ihr Leben endigten und unbeerdigt da lagen, da waren wir es, welche wider die Kadmeer zu Felde zogen, die Leichname wegnahmen und in unserem Lande zu Eleusis beerdigten. Auch haben wir noch eine rühmliche That aufzuweisen wider die Amazonen, welche von dem Flusse Thermodon[***] ) her einst einen Einfall in das attische Land gemacht hatten. Und selbst in den Trojanischen Kämpfen sind wir hinter keinem Hellenen zurückgeblieben[†] ). Indessen nützt es gar nichts, dieser Thaten zu erwähnen: denn dieselben, welche damals tüchtig waren, könnten jetzt schlechter sein, und ebenso könnten die, welche damals schlecht waren, jetzt besser sein. Darum soll es jetzt genug fein mit den alten Thaten. Aber wenn wir auch gar nichts anderes aufzuweisen hätten, wie wir denn viele ruhmvolle Thaten vor irgend einem andern Volk der Hellenen vollbracht haben, so verdienen wir doch schon allein wegen der Schlacht bei Marathon diese Ehre zu erhalten, und noch andre dazu, da wir allein in der That unter allen Hellenen in den Kampf mit dem Perser getreten, und nachdem wir an ein solches Werk uns gewagt, daraus mit dem Siege über sechsundvierzig Völker[*] ) hervorgegangen sind. Haben wir demnach nicht ein Recht, diese Aufstellung zu erhalten, bloß um dieser That willen? Indessen es ziemt sich nicht, in einer solchen Lage zu streiten um der Stellung willen: wir sind bereit, euch, Lakedämonier ; zu folgen, wo es euch am geeignetsten erscheint, daß wir stehen, und gegen welche nur immer: denn an jedem Orte, wo wir aufgestellt sind, werden wir versuchen, uns tüchtig zu zeigen. Führt uns heraus zum Kampf; wir werden folgen.



28.

Dieses erwiderten die Athener. Das ganze Heer der Lakedämonier aber schrie laut auf, die Athener verdienten weit eher als die Arkadier den Flügel zu erhalten. Also erhielten die Athener denselben und damit den Vorzug vor den Tegeaten.

Nach diesem aber stellten sich die Hellenen, sowohl die, welche dazu gekommen, als die, welche von Anfang an erschienen waren, folgendermaßen auf: den rechten Flügel hatten die zehntausend Lakedämonier inne; von diesen hatten die fünftausend, welche Spartaner waren, zu ihrer Begleitung bei sich: fünfunddreißigtausend leichtbewaffnete Heloten[**] ), indem sieben derselben einem jeden zugeordnet waren: den nächsten Platz bei ihnen wiesen die Spartaner den Tegeaten[***] ) an, sowohl der Ehre, als der Tapferkeit wegen; es waren ihrer fünfzehnhundert Schwerbewaffnete. Nach diesen standen fünftausend Korinther[*)] ; sie hatten es von Pausanias verlangt, daß die dreihundert anwesenden Potidäaten, welche von Pellene gekommen waren[**)] , neben ihnen ihre Stelle erhielten. An diese schlossen sich an sechshundert Arkadier aus Orchomenus[***)] , an diese dreitausend Sicyonier[†)] ; an diese stießen achthundert Epidaurier und neben diesen stellten tausend Trözenier sich auf: an die Trözenier stießen zweihundert Lepreaten[††] ), an diese vierhundert Mann aus Mycene und Tirynth, und an diese stießen noch tausend Phliasier. Neben diesen standen dreihundert aus Hermione: an diese aus Hermione schlossen sich an sechshundert Eretrier und Styreer[†††)] , an diese vierhundert Mann aus Chalcis, und an diese fünfhundert Ambracioten. Nach diesen standen achthundert Mann Leukadier und Anaktorier[§)] , und an diese stießen zweihundert Paleer aus Cephallenien[§§)] . Nach diesen kamen in der Schlachtordnung fünfhundert Ägineten und neben diesen standen dreitausend Mann aus Megara. An diese aber stießen sechshundert Mann aus Platää. Den letzten und auch den ersten Platz in der Schlachtordnung erhielten die Athener; welche den linken Flügel einnahmen, achttausend Mann, welche Aristides, des Lysimachus Sohn, befehligte.



29.-30

Diese waren, mit Ausnahme der sieben, einem jeden Spartaner zugeteilten Heloten, Schwerbewaffnete, und belief sich ihre Gesamtzahl auf achtunddreißigtausend siebenhundert Mann. So viele waren es in allem, Schwerbewaffnete, welche sich wider den Barbaren vereinigt hatten. Die Zahl der Leichtbewaffneten aber war folgende: von der spartanischen Heeresabteilung fünfunddreißigtausend Mann, weil eben sieben um einen jeden Mann waren[*] ); und von diesen war ein jeder zum Kriege gerüstet. Die Leichtbewaffneten der übrigen Lakedämonier und Hellenen betrugen, insofern auf jeden Mann einer kam, vierunddreißigtausend fünfhundert[**][).] So belief sich also die Zahl aller leichtbewaffneten Streitbaren auf neunundsechzigtausend fünfhundert.


***
30.

Die Gesamtzahl des hellenischen Heeres, welches nach Platää zusammengekommen war, an Streitbaren, sowohl an Schwerbewaffneten wie an Leichtbewaffneten, belief sich auf hundertundzehntausend Mann, weniger als achtzehnhundert Mann. Mit den anwesenden Thespiern[***] ) aber wurde die Zahl von hundertzehntausend Mann voll. Denn es befanden sich in dem Lager auch die, welche von den Thespiern übrig waren, an Zahl achtzehnhundert Mann; diese hatten jedoch eine schwere Rüstung, und waren am Asopus aufgestellt im Lager.




31.

Nachdem Mardonius und die Barbaren die Trauer um den Masistius beendigt hatten, zogen sie, da sie vernommen, daß die Hellenen bei Platää wären, gleichfalls nach dem Asopus, welcher dort fließt. Und als sie daselbst angekommen waren, wurden sie von Mardonius in folgender Weise aufgestellt. Den Lakedämoniern gegenüber stellte er die Perser auf: weil nun aber die Perser an Zahl weit stärker waren, so waren sie in mehr Glieder aufgestellt und reichten noch bis zu den Tegeaten. Er hatte sie aber auf folgende Weise aufgestellt: von der Gesamtzahl las er die stärkste Mannschaft aus und stellte sie den Lakedämoniern gegenüber, den schwächeren Teil der Mannschaft und den Rat der Thebaner. Anstoßend an die Perser, stellte er die Meder auf: diese nahmen ihre Stellung gegenüber den Korinthiern, Potidäaten, Orchomeniern, Trözeniern, Lepreaten, Tirynthiern, Mycenäern und Phliasiern. Nach den Baktrern stellte er die Inder: diese kamen gegen die Hermionen, Eretrier, Styrer und Chalcidier. An die Inder schlossen sich in der Aufstellung die Saker, welche gegenüber den Ambracioten, Anaktoriern, Leukadiern, Paleern und Agineten standen. Anschließend an die Saker stellte er gegenüber den Athenern, Platäern und Megarern die Böotier, Lokrer, Melier, Thessalier und die tausend Phoker auf[*] ): denn nicht alle Phoker hatten die Partei der Meder ergriffen, sondern einige von ihnen unterstützten auch die Sache der Hellenen, indem sie, am Parnaß eingeschlossen[**] ), von hier aus das Heer des Mardonius und die Hellenen, die mit denselben waren, durch Plünderung und Raub belästigten. Auch die Macedonier und die, welche in Thessalien wohnten, stellte er gegenüber den Athenern.



32.

Dieses sind die namhaftesten Völker, welche unter dem Befehl des Mardonius standen, und waren sie auch die angesehensten und beachtenswertesten. Es waren zwar auch von andern Völkern Männer beigemischt, von Phrygern, Thraciern, Mystern, Päoniern[***)] und andern, ja darunter auch von Äthiopiern und Ägyptiern[†] ), diejenigen, welche Hermotybier und Kalasirier[††)] genannt werden, sie tragen kleine Schwerter und sind die einzigen Streitbaren unter den Ägyptiern. Diese hatte Mardonius, als er noch bei Phalerum stand, von den Schiffen, da sie Seesoldaten waren, ans Land kommen lassen: denn die gypser waren nicht dem Landheer zugeteilt, welches mit Xerxes nach Athen kam. Die Gesamtzahl der Barbaren belief sich auf dreimalhunderttausend Mann, wie auch schon vorher angegeben worden ist[*] ): die Zahl der hellenischen Verbündeten des Mardonius kennt niemand, denn sie wurden nicht gezählt; nach einer Vermutung mögen wohl fünfzigtausend Mann zusammengekommen sein. Dies war das Fußvolk in der Schlachtordnung, die Reiterei war besonders aufgestellt.



33.

Nachdem nun alle aufgestellt waren nach den einzelnen Völkern und Abteilungen, brachten auch beide Teile an dem folgenden Tage Opfer; für die Hellenen brachte das Opfer Tisamenus, des Antiochus Sohn: denn dieser folgte diesem Heere als Seher; er war von Elis und stammte von dem Geschlechte der Iamiden[**)] , ein Klytiade, welchen die Lakedämonier zu ihrem Bürger gemacht hatten. Als nämlich Tisamenus das Orakel zu Delphi befragte um Nachkommenschaft, antwortete ihm die Pythia, er werde in fünf der größesten Kämpfe den Sieg davon tragen. Da er nun den Sinn des Orakels nicht begriff, verlegte er sich auf das Turnen, in der Erwartung, in Wettkämpfen der Art die Siege zu erringen. Er übte sich in dem Fünfkampf[***)] und fehlte ihm zu einem Sieg zu Olympia dann nur der eine Ringkampf[†)] , in welchem er mit Hieronymus von Andrus in den Streit getreten war. Als aber die Lakedämonier einsahen, daß der Orakelspruch des Tisamenus sich nicht auf Wettkämpfe im Turnen, sondern auf kriegerische Kämpfe beziehe, so versuchten sie den Tisamenus durch Lohn zu bewegen, zugleich mit Königen der Herakliden ihr Führer im Krieg zu sein. Als er aber sah, wieviel den Lakedämoniern daran lag, ihn zum Freund zu gewinnen, so erhöhete er infolge dieser Wahrnehmung seine Forderung und erklärte ihnen, nur dann, wenn sie ihn zu ihrem Bürger gemacht hätten, mit der Teilnahme an allen Rechten, werde er dies thun, sonst aber unter keinem andern Preis. Anfangs, als die Spartaner dies vernommen hatten, waren sie ärgerlich und wollten die Weissagung ganz fallen lassen. Zuletzt aber; da eine große Furcht vor diesem persischen Heer ihnen vorschwebte, ließen sie ihn holen und willigten ein. Als er aber merkte, daß sie andern Sinnes geworden waren, wollte er auch damit allein sich nicht zufrieden geben, sondern verlangte, daß auch noch sein Bruder Hagias unter denselben Bedingungen als Bürger von Sparta aufgenommen würde, unter denen er selbst es geworden war.



34.

In diesem Verlangen ahmte er den Melampus[*] ) nach, insofern man das Königtum und das Bürgerrecht mit einander vergleichen kann. Denn auch Melampus verlangte, als die Weiber zu Argos in Raserei geraten waren und die Argiver ihn um Lohn von Pylus aus dingen wollten, um ihre Weiber von dieser Krankheit zu befreien, als Lohn die Hälfte des Königtums. Als die Argiver dies sich nicht wollten gefallen lassen, sondern weggingen, wurden noch weit mehr von den Weibern rasend, und nun erst wollten sie eintreten in das, was Melampus verlangt hatte, und kamen herbei, um es ihm zu geben. Wie er aber sah, daß sie anderen Sinnes geworden, ging er noch weiter in seinem Verlangen und erklärte ihnen, wenn sie nicht auch seinem Bruder Vias[**)] den britten Teil des Königtums mitteilen würden, werde er nicht thun, was sie wollten. So verwilligten die Argiver, welche schwer bedrängt waren, ihm auch dies.



35.

Ebenso auch gestanden die Spartaner weil sie gar sehr des Tisamenus bedurften, diesem alles vollkommen zu. Als nun die Spartaner auch dies zugestanden hatten, da half ihnen Tisamenus aus Elis, welcher nun ein Spartaner geworden war, durch seine Weissagung den Sieg in fünf der größesten Kämpfe erringen; es sind aber diese allein unter allen Menschen Bürger zu Sparta geworden[*)] . Diese fünf Kämpfe waren die folgenden: einer und zwar der erste ist eben der Kampf bei Platää, hernach der Kampf[**)] , der bei Tegea mit den Tegeaten und Argivern stattfand, alsdann der Kampf im Lande der Dipäer mit allen Arkadiern, ausgenommen den Mantineern, darauf der Kampf mit den Messeniern bei Ithome[***)] , und zuletzt der Kampf, der bei Tanagra mit den Athenern und Argivern stattfand[†] ): dies war der letzte von den fünf Kämpfen, welcher geführt wurde.



36.

Dieser Tisamenus nun, welchen die Spartaner mitbrachten, weissagte damals den Hellenen auf dem Platäischen Gebiet. Und die Opfer fielen günstig aus für die Hellenen, wenn sie sich auf der Verteidigung halten würden, aber den Asopus nicht überschritten und die Schlacht nicht anfingen.



37.

Dem Mardonius, welcher ein Verlangen hatte, die Schlacht anzufangen, waren die Opfer nicht günstig; günstig waren sie auch für ihn nur dann, wenn er sich auf der Verteidigung halte. Denn auch er brachte Opfer nach hellenischer Weise und hatte einen Seher bei sich, den Hegesistratus, einen Eleer und einen der angesehensten von den Telliaden, den schon früher vor diesem die Spartaner gefangen und zur Hinrichtung in Bande gelegt hatten, weil sie von ihm vielen Frevel erlitten hatten. In dieser Not, in der er sich befand, da er um sein Leben Gefahr lief und vor dem Tode noch viel Hartes erdulden sollte, führte er eine That aus, die über alle Erzählung hinausgeht. Da er nämlich mit dem Fuß an einem Pflocke mittelst Eisen gefesselt war, so wurde er eines Eisens, welches dabei angebracht war, habhaft, und sogleich sann er auf die männlichste That unter allen, die wir kennen: nachdem er nämlich erwogen hatte, wie er den übrigen Teil des Fußes herausbrächte, schnitt er sich den unteren Teil desselben ab, und wie er dies gethan hatte, durchgrub er, da er von den Wächtern bewacht wurde, die Mauer und entwich nach Tegea, indem er des Nachts sich auf den Weg machte, bei Tage aber sich im Walde versteckte und aufhielt, so daß er, obwohl die Lakedämonier überall nach ihm suchten, in der dritten Nacht zu Tegea ankam, jene aber von Verwunderung ergriffen wurden, als sie die abgeschnittene Hälfte des Fußes da liegen sahen und ihn selbst nicht zu finden im stande waren. Damals nun den Lakedämoniern auf diese Weise entronnen, flüchtete er sich nach Tegea, welches zu dieser Zeit nicht in Freundschaft war mit den Lakedämoniern, und wie er gesund geworden war, ließ er sich einen hölzernen Fuß machen und trat nun offen als Gegner der Lakedämonier auf. Jedoch lief am Ende diese Feindschaft mit den Lakedämoniern nicht gut für ihn aus; denn er wurde, als er zu Zakynthus[*)] weissagte von ihnen gefangen genommen und verlor sein Leben. Dieser Tod des Hegisistratus fiel indessen in eine spätere Zeit nach den Vorfällen bei Platää; damals aber; gedungen von dem Mardonius um keinen geringen Lohn, brachte er am Asopus Opfer und war voller Eifer; ebenso sehr aus Feindschaft wider die Lakedämonier; wie aus Gewinnsucht.



38.

Als aber das Opfer nicht günstig war für eine Schlacht; weder den Persern, noch den Hellenen, welche mit denselben waren, (denn es hatten auch diese ihren besonderen Seher den Hippomachus, einen Leukadier), die Hellenen aber herbeiströmten und immer zahlreicher wurden, gab Timagenidas, des Herpys Sohn, ein Thebaner, dem Mardonius den Rat, die Ausgänge des Cithäron zu bewachen, indem er bemerkte, daß die Hellenen in einem fort Tag für Tag herbeiströmten und er hier viele derselben auffangen würde.



39.

Acht Tage waren schon verstrichen, seit sie einander gegenüber lagen, als jener diesen Rat dem Mardonius erteilte. Dieser; da er eingesehen, daß der Rat gut sei, schickte, sowie es Nacht geworden war, die Reiterei nach den Ausgängen des Cithäron, welche in der Richtung nach Platää laufen, welche die Böotier die drei Köpfe, die Athener aber die Eichenköpfe nennen[*)] . Die abgeschickten Reiter aber kamen nicht umsonst dahin: denn sie fingen fünfhundert Stück Zugvieh, das in die Ebene zog, und Lebensmittel aus dem Peloponnes ins Lager brachte, auf, sowie auch die Leute, welche den Gespannen folgten. Als die Perser diesen Fang gemacht hatten, mordeten sie schonungslos, indem sie weder des Viehs noch der Menschen schonten. Und als sie des Mordes satt waren, schlossen sie das, was davon übrig war ein und trieben es zum Mardonius und in das Lager.



40.

Nach dieser That verstrichen wieder zwei Tage, da kein Teil die Schlacht anfangen wollte: bis zum Asopus nämlich rückten die Barbaren heran, um die Hellenen zu versuchen, aber kein Teil von beiden setzte über den Fluß. Indessen lag doch die Reiterei des Mardonius den Hellenen stets auf dem Nacken und belästigte sie. Denn die Thebaner welche sehr medisch gesinnt waren, zeigten in der Führung des Krieges sich eifrig und waren stets die Führer bis zum Kampfe: von da an aber waren es zunächst Perser und Meder, welche den Kampf aufnahmen und ihre Tapferkeit zeigten.



41.-42

Bis zu diesen zehn Tagen nun fiel nichts weiter vor. Als aber der elfte Tag verstrichen war; seit sie bei Platää einander gegenüber lagen, und die Zahl der Hellenen immer stärker wurde, auch Mardonius ärgerlich war über das Sitzenbleiben, da traten zu einer Besprechung Mardonius, des Gobryas Sohn, und Artabazus[*] ), des Pharnaces Sohn, der ein angesehener Mann unter den Persern, wie wenige, bei dem Xerxes war, zusammen. Bei dieser Beratung traten folgende Ansichten hervor; die Meinung des Artabazus ging dahin, sie sollten so schnell als möglich mit dem gesamten Heer aufbrechen und in die feste Stadt Theben ziehen, wo viel Getreide für sie herbeigeschafft worden sei und Futter für das Zugvieh; hier sollten sie ruhig sitzen bleiben und ihre Sache in folgender Weise ausmachen. Sie hätten nämlich viel gemünztes wie ungemünztes Gold, auch viel Silber und Trinkgefäße: diese sollten sie, ohne zu sparen, an die Hellenen herumschicken, besonders an diejenigen Hellenen, welche in ihren Städten an der Spitze ständen: da würden diese alsbald die Freiheit aufgeben und sich nicht in die Gefahr eines Kampfes begeben. So war seine Meinung dieselbe, wie die der Thebaner[**] ), da er wohl schon vorher richtig die Sache erkannt hatte. Dagegen des Mardonius Meinung wahr mehr energisch, aber auch unbedächtig und keineswegs zum Nachgeben geneigt: denn er meinte, sein Heer sei viel besser als das hellenische, und man müsse so schnell wie möglich zum Kampfe schreiten, und nicht ruhig zusehen, daß die Zahl der versammelten Hellenen immer zunehme; um die Opfer des Hegesistratus solle man sich nicht kümmern, noch Gewalt anwenden, sondern nach persischer Sitte handeln und in den Kampf eintreten.


***
42.

Da er auf diese Weise seinen Willen kund gab, widersprach niemand, so daß er mit seiner Ansicht durchdrang. Denn er hatte den Oberbefehl über das Heer vom König, und nicht Artabazus. Er ließ nun zu sich rufen die Anführer der einzelnen Abteilungen und die Feldherren der Hellenen, die mit ihm waren, und stellte an sie die Frage, ob ihnen irgend ein Götterspruch hinsichtlich der Perser bekannt sei, wonach diese in Hellas ihren Untergang finden sollten. Als die Berufenen, von welchen die einen die Orakelsprüche nicht kannten, die anderen sie wohl kannten, aber da sie es nicht für sicher erachteten, davon zu reden, schwiegen, so ergriff Mardonius selbst das Wort: Da ihr entweder nichts davon wißt, oder es nicht zu sagen wagt, so will ich es sagen, da ich es wohl weiß. Es gibt einen Götterspruch[*] ), wonach die Perser nach Hellas kommen, das Heiligtum zu Delphi plündern, nach der Plünderung aber alle zu Grunde gehen sollen. Da wir nun eben dies wissen, so wollen wir gar nicht nach diesem Heiligtum ziehen und keine Plünderung desselben versuchen ; aus dieser Ursache werden wir dann auch nicht zu Grunde gehen. Freu euch daher ihr alle, die ihr geneigt seid den Persern, darum, daß wir die Hellenen überwinden werden. Nachdem er dies ihnen gesagt hatte, verkündigte er ihnen zum andern, sich zu rüsten und alles in guten Stand zu setzen, indem die Schlacht mit dem Anbruch des folgenden Tages stattfinden werde.




43.

Dieser Orakelspruch, von welchem Mardonius behauptete, daß er auf die Perser gehe, bezog sich, wie ich wohl weiß, auf die Illyrier und das Heer der Encheler[**)] , aber nicht auf die Perser. Dagegen bezog sich folgender Spruch des Bakis[***)] auf diesen Kampf:

An des Thermodon Flut und des Asopus grünenden Ufern
Sieh' der Hellenen Heer und das wilde Geschrei der Barbaren:
Wo viel fallen im Kampfe, noch ehe der Tod war beschieden,
Bogenführende Meder, wenn nahet der Tag des Geschickes.

Ich weiß, daß diese und andere, diesen ähnliche Sprüche des Musäus[*)] auf die Perser sich bezogen. Der Fluß Thermodon fließt zwischen Tanagra und Glisas[**)] .



44.

Nach dieser Anfrage wegen der Orakel und nach der von Mardonius ausgegangenen Ermahnung war es Nacht geworden und die Wachen wurden bestellt. Als es aber schon tief in der Nacht war und Ruhe im Lager zu sein schien und meistens die Menschen im Schlafe lagen, da näherte sich zu Pferde den Wachen der Athener Alexander[***)] , des Amyntas Sohn, welcher Feldherr und König der Macedonier war; und verlangte nach einer Unterredung mit den Feldherren. Die Mehrzahl der Wächter nun blieb stehen, andere aber liefen zu den Feldherren und meldeten ihnen, daß ein Mann zu Pferde aus dem Lager der Meder gekommen sei, welcher kein anderes Wort ihnen eröffnet, sondern die Feldherren mit Namen genannt, die er zu sprechen wünsche.


***
45.

Diese, nachdem sie es vernommen, folgten sogleich zu den Wachen, und als sie dort angekommen waren, sprach Alexander folgendes: Ihr Athener! diese Worte vertraue ich euch als ein Pfand, indem ich euch untersage, irgend einem andern als dem Pausanias etwas zu sagen, damit ihr nicht auch mich ins Verderben bringt. Denn ich würde es nicht gesagt haben, wenn ich nicht so sehr um das gesamte Hellas besorgt wäre. Denn ich selbst bin meiner Abkunft nach ursprünglich ein Hellene, und ich möchte nicht, statt eines freien Hellas, ein in Knechtschaft geratenes erblicken. Ich melde euch nun, daß die Opfer dem Mardonius und seinem Heere nicht günstig gewesen sein können, denn sonst hättet ihr längst den Kampf gehabt. Jetzt aber hat er beschlossen, sich nicht weiter um die Opfer zu kümmern, sondern mit Anbruch des Tages die Schlacht zu liefern. Denn wie ich vermute, hat er die Besorgnis, daß ihr immer zahlreicher hier werdet. Demnach haltet euch bereit. Wenn aber Mardonius den Kampf aufschiebt und nicht anfängt, so bleibt und harret aus; denn sie haben nur auf wenige Tage Lebensmittel übrig. Wenn aber dieser Krieg euch nach Wunsch ausgeht, so soll man dann auch meiner gedenken hinsichtlich der Befreiung, da ich um der Hellenen willen aus Eifer eine so gefährliche That ausgeführt habe, um euch die Absicht des Mardonius kund zu thun, damit die Barbaren nicht auf euch fallen, wo ihr sie nicht erwartet. Ich bin Alexander, der Macedonier. Nachdem er diese Worte gesprochen, ritt er zurück ins Lager und in seine Aufstellung.




46.

Die Feldherren der Athener begaben sich darauf nach dem rechten Flügel und sagten dem Pausanias, was sie von Alexander gehört hatten. Dieser aber, welcher durch diese Nachricht in Besorgnis vor den Persern geraten war, sprach zu ihnen folgendes: Da hiernach gegen Morgen der Kampf stattfinden wird, so müßt ihr Athener den Persern gegenüber euch aufstellen, wir aber gegenüber den Böotiern und den euch gegenüber aufgestellten Hellenen, aus folgendem Grunde: Ihr kennet die Meder und ihre Kampfesart, da ihr zu Marathon mit ihnen gekämpft habt; wir aber haben es noch nicht mit ihnen versucht und kennen diese Männer gar nicht: denn kein Spartaner hat es je mit den Medern versucht; wohl aber kennen wir Böotier und Thessalier; darum müßt ihr eure Waffen nehmen und auf diesen Flügel ziehen, wir aber auf den linken. Darauf sagten die Athener folgendes: Uns selbst war es schon lange von Anfang an, als wir sahen, daß die Perser euch gegenüber aufgestellt sind, in den Sinn gekommen, das zu sagen, womit ihr uns zuvorkommt, allein wir besorgten, es möchte der Vorschlag euch nicht angenehm sein. Da ihr nun selbst dies zur Sprache gebracht habt, so ist der Vorschlag auch uns angenehm und sind wir bereit dies zu thun.

47.

Da dies nun beiden Teilen gefiel, so wechselten sie, so wie der Tag anbrach, ihre Stellung. Allein die Böotier merkten, was vorging und machten dem Mardonius Meldung. Dieser, so wie er es gehört, versuchte sofort ebenfalls eine Umstellung, indem er die Perser gegenüber den Lakedämoniern vorführte. Als nun aber Pausanias bemerkte, was vorging und erkannte, daß sein Plan entdeckt sei, so führte er die Spartaner wieder zurück auf den rechten Flügel, ebenso aber auch machte es Mardonius auf dem linken Flügel.



48.

Als sie nun in ihre alte Stellung wieder eingetreten waren, schickte Mardonius zu den Spartanern einen Herold und ließ ihnen folgendes sagen: o Lakedämonier; die Leute dieses Landes sagen, daß ihr in der Tat die tapfersten Männer seid, und staunen, daß ihr weder fliehet aus einem Kriege, noch eure Stellung verlasset, sondern bleibt und entweder die Gegner vernichtet, oder selbst vernichtet werdet. Allein daran ist doch nichts Wahres. Denn ehe ihr in den Kampf tretet und handgemein werdet; sahen wir euch schon fliehen und eure Stellung verlassen, indem ihr die Athener zuerst den Versuch machen lasset und selbst euch unseren Knechten gegenüber aufstellt. So machen es keineswegs tapfere Männer wir haben vielmehr uns völlig in euch getäuscht. Denn wir erwarteten vermöge eures Ruhmes, daß ihr zu uns einen Herold schicken würdet mit einer Herausforderung, daß ihr mit den Persern allein kämpfen wolltet, wozu wir auch bereit sind, allein wir haben gefunden, daß ihr nichts der Art uns habt sagen lassen, sondern vielmehr euch verkriecht. Weil ihr nun mit diesem Vorschlag nicht angefangen habt, so machen wir jetzt damit den Anfang. Warum sollten wir nicht beide; ihr für die Hellenen, da ihr für die Tapfersten geltet, wir für die Barbaren, in gleicher Anzahl mit einander kämpfen? und wenn ihr glaubt, daß auch die anderen kämpfen müssen, so sollen diese nachher in einen späteren Kampf eintreten: wenn ihr es aber nicht für nötig erachtet, sondern der Meinung seid, daß es mit uns allein genug sei, so wollen wir in den entscheidenden Kampf treten; welche von uns beiden siegen, die sollen für das gesamte Heer Sieger sein.



49.

Nachdem er diese Worte gesagt und einige Zeit gewartet hatte, entfernte er sich wieder da niemand ihm eine Antwort gab; und als er zurückgekehrt war; meldete er dem Mardonius den Vorfall. Dieser; voll von Freude darüber und stolz auf seinen nichtigen Sieg, schickte sofort die Reiterei gegen die Hellenen. Als aber die Reiter herangerückt waren, brachten sie dem gesamten hellenischen Heere Schaden bei durch die Wurfspieße und Pfeile, welche sie auf dasselbe richteten, da sie Bogenschützen zu Pferde waren, denen schwer beizukommen war; auch die Quelle Gargaphia[*)] , aus welcher das gesamte hellenische Heer sein Wasser holte, trübten und verschütteten sie. Es waren nun bei der Quelle die Lakedämonier allein aufgestellt, die übrigen Hellenen, so une sie nun einmal aufgestellt waren, lag die Quelle weiter weg, dagegen der Asopus nahe. Weil sie aber von dem Asopus abgehalten waren, mußten sie dann zu der Quelle gehen; denn aus dem Flusse Wasser wegzutragen war ihnen nicht möglich vor den Reitern und deren Geschossen.



50.

Unter solchen Umständen traten die Feldherren der Hellenen, weil das Heer des Wassers beraubt war und von der Reiterei beunruhigt ward, zu einer Versammlung wegen eben dieser und anderer Dinge zusammen, und begaben sich zu Pausanias auf den rechten Flügel. Denn zu diesen mißlichen Umständen kamen noch andere; für sie viel schlimmere; denn sie hatten keine Lebensmittel mehr und ihre Diener welche nach dem Peloponnes abgeschickt waren, um Lebensmittel von dort herbeizubringen, waren von der Reiterei abgeschnitten worden und konnten nicht in das Lager gelangen.



51.

Da beschlossen nun die Feldherren in ihrem Rat, wenn die Perser diesen Tag noch aufschöben und keinen Angriff machten, auf die Insel zu gehen, welche von dem Asopus und der Quelle Gargaphia, bei welcher damals das Lager stand, zehn Stadien entfernt ist, vor der Stadt der Platäer[**)] . Es wäre dies also eine Insel auf dem festen Lande: der Fluß nämlich teilt sich in zwei Arme und fließt von oben herab von dem Cithäron in die Ebene, so daß die beiden Arme ungefähr drei Stadien von einander entfernt sind und dann sich wieder vereinigen; der Name der Insel ist Oeroe: wie die Einheimischen sagen, ist sie die Tochter des Asopus. Nach diesem Platz nun beschlossen sie zu ziehen, damit sie reichlich Wasser zum Gebrauch hätten, und die Reiterei ihnen keinen Schaden zufügen könne, wie da, wo sie ihr gegenüber standen. Sie beschlossen aber erst dann ihre Stellung zu verlassen, wenn es die zweite Wache der Nacht sei[*)] , damit die Perser ihren Aufbruch nicht bemerken und die nachfolgenden Reiter sie nicht beunruhigen könnten. Als sie aber an diesen Ort gekommen waren, welchen die Oeroe, des Asopus Tochter; vom Cithäron herabfließend, umschlingt, beschossen sie noch in dieser Nacht die Hälfte des Heeres nach dem Cithäron abzuschicken, um aufzunehmen die Diener welche nach den Lebensmitteln weggeeilt waren, denn diese waren auf dem Cithäron abgeschnitten.



52.

Nachdem sie diesen Beschluß gefaßt, hatten sie an diesem Tage, weil die Reiterei ihnen so zusetzte, ihre schwere Not. Als aber der Tag zu Ende ging und die Reiter abgelassen hatten, da erhoben sich, als es bereits Nacht geworden war und die Zeit da war, wo sie nach der Verabredung aufbrechen sollten, viele und verließen ihre Stellung, nicht in der Absicht, nach dem verabredeten Ort sich zu begeben, sondern nachdem sie sich in Bewegung gesetzt hatten, ergriffen sie mit Freuden die Flucht vor der Reiterei nach der Stadt der Platäer und kamen auf der Flucht zu dem Heräum, welches vor der Stadt der Platäer liegt[**)] , zwanzig Stadien entfernt von der Quelle Gargaphia. Und als sie daselbst angekommen waren, machten sie Halt vor dem Heiligtum.



53.-56

Diese nun lagerten bei dem Heräum; als aber Pausanias sah, daß sie aus dem Lager sich entfernt, erteilte er auch den Lakedämoniern den Befehl, in voller Rüstung zu den übrigen, welche vorausgegangen, zu ziehen, weil er der Meinung war, sie zögen nach dem verabredeten Orte. Da nun waren die übrigen Führer der Heeresabteilungen bereit, dem Pausanias Folge zu leisten, Amompharetus aber, des Poliades Sohn, der Führer der Abteilung von Pitana[*] ), erklärte, er werde nicht vor den Fremden fliehen, und nicht gutwillig Sparta in Schimpf und Schande bringen; er sprach auch seine Verwunderung aus über das, was er hier vorgehen sah, weil er nämlich bei der früheren Besprechung nicht zugegen gewesen war. Pausanias und Euryanax waren zwar ärgerlich, daß jene ihnen nicht Folge leisten wollten, aber es kam ihnen noch weit ärger vor, bei solcher Gesinnung jenes Mannes die Schar der Pitanaten im Stich zu lassen, weil sie besorgten, wenn sie ihn im Stich ließen und das thäten, was sie mit den übrigen Hellenen verabredet hatten, so würde Amompharetus selbst samt seinen Leuten, zurückgelassen zu Grunde gehen. In dieser Erwägung blieben sie mit dem Heere der Lakedämonier ruhig und versuchten ihn zu überzeugen, daß es nicht möglich sei, dies zu thun.


***
54.

Diese redeten nun dem Amompharetus zu, welcher allein von den Lakedämoniern und Tegeaten zurückgeblieben war. Die Athener aber thaten folgendes: sie blieben ruhig an dem Orte, wo sie aufgestellt waren, weil sie die Sinnesart der Lakedämonier wohl kannten, insofern sie anders denken und anders reden[**)] . Und als das Heer in Bewegung gesetzt war; schickten sie einen Reiter ab, welcher sehen sollte, ob die Spartaner Anstalt machten zum Abzug, oder ob sie gar nicht daran dächten, aufzubrechen, auch solle er den Pausanias fragen, was sie thun sollten.



***
55.

Als der Herold zu den Lakedämoniern kam, sah er, daß dieselben noch auf ihrer Stelle sich befanden, und ihre Obersten mit einander in Streit geraten waren. Als nämlich Euryanax und Pausanias den Amompharetus aufforderten, nicht der Gefahr sich auszusetzen dadurch, daß sie allein von den Lakedämoniern hier blieben, vermochten sie ihn nicht dazu zu bringen, bis sie zuletzt mit einander in Streit kamen und der darüber angekommene Herold der Athener zu ihnen trat. In diesem Streit erfaßte Amompharetus einen Stein mit beiden Händen, legte ihn vor die Füße des Pausanias und erklärte ihm, mit diesem Stein gebe er seine Abstimmung dahin, die Fremden nicht zu fliehen, indem er unter den Fremden die Barbaren[*)] verstand. Dieser aber nannte ihn einen tollen Menschen, der nicht bei Sinnen sei, und dem Herold der Athener, welcher ihn fragte, was ihm aufgetragen war, befahl er, den Athenern zu sagen, wie es hier stände, zugleich auch ersuchte er die Athener, näher zu ihnen zu rücken und hinsichtlich des Abzuges es zu machen, wie sie auch.



***
56.

So entfernte sich der Herold zu den Athenern; jene aber zankten sich fort, bis die Morgendämmerung herankam. Während dieser Zeit war Pausanias sitzen geblieben, weil er nicht glaubte, daß Amompharetus zurückbleiben werde, wenn die übrigen Lakedämonier abzögen (was auch wirklich geschah); jetzt aber gab er das Zeichen und führte die übrigen insgesamt über die Hügel ab: auch die Tegeaten folgten. Die Athener; in Schlachtordnung aufgestellt, zogen aber den entgegengesetzten Weg als die Lakedämonier: diese nämlich hielten sich an den Hügeln und am Fuße des Cithäron, aus Furcht vor der Reiterei, die Athener aber zogen unten, nach der Ebene zu.




57.

Amompharetus, welcher anfangs gar nicht glauben konnte, daß Pausanias es wagen werde, sie zu verlassen, beharrte darauf, hier zu bleiben und die Schlachtordnung nicht zu verlassen; da nun Pausanias *) mit seinen Leuten vor ihm abzog, und er merkte, wie dieselben ihn ohne weiteres verließen, so ließ er seine Schar die Waffen aufnehmen und führte sie langsamen Schrittes zu dem andern Heereshaufen; dieser aber, nachdem er ungefähr zehn Stadien weit weg war, wartete auf die Schar des Amompharetus, gelagert am Flusse Moloeis[1)] und an einem Platz, mit Namen Agriopius, wo auch ein Tempel der eleusinischen Demeter steht. Er wartete aber deshalb, damit, wenn Amompharetus und seine Schar nicht den Ort verlassen würde, in welchem sie aufgestellt waren, er wieder rückwärts ihnen zu Hilfe eilen könne. Kaum war indessen Amompharetus mit seinen Leuten zu ihnen gestoßen, so drang auch wieder die ganze Reiterei der Barbaren auf sie ein. Denn die Reiter machten es ebenso, wie sie es auch immer zu machen gewohnt waren: als sie nämlich den Ort leer sahen, auf welchem die Hellenen an den früheren Tagen aufgestellt waren, ritten sie stets vorwärts, und sowie sie die Hellenen eingeholt, fielen sie auf dieselben ein.



58.

Wie nun Mardonius erfuhr, daß die Hellenen in der Nacht abgezogen seien und er den Platz verlassen sah, rief er den Thorax[2)] von Larissa und dessen Bruder Eurypylus und Thrasydeius und sprach zu ihnen: O ihr Söhne des Aleuas! was wollt ihr noch sagen, wenn ihr hier alles verlassen seht? Denn ihr, die ihr Nachbarn seid, behauptet, die Lakedämonier flöhen nicht aus der Schlacht, sondern seien die ersten Männer im Kriege! schon vorher saht ihr, wie sie ihre Stellung wechselten[3)] in der Schlachtordnung, und jetzt sehen wir alle, wie sie in der verflossenen Nacht davongelaufen sind; und damit haben sie gezeigt, daß sie, als sie mit Leuten, die unleugbar die tapfersten sind, in einen entscheidenden Kampf treten sollten, in der That nichts sind, und nur unter Hellenen, die auch nichts sind, sich hervorgethan haben. Und euch, die ihr die Perser gar nicht kennt, habe ich meinerseits gern verziehen, wenn ihr diese lobt, da ihr von ihnen auch etwas wußtet: um so mehr aber mußte ich mich über Artabazus wundern, daß er vor den Lakedämoniern sich fürchtete, und in dieser Furcht eine recht feige Ansicht vorbrachte, daß wir mit dem Heere aufbrechen und in die Stadt der Thebaner ziehen sollten[1)] , um uns darin belagern zu lassen: dies wird noch einmal der König von mir erfahren. Auch wird davon noch ein andermal die Rede sein: jetzt aber dürfen wir jenen nicht überlassen, dies zu thun, sondern wir müssen sie verfolgen, bis daß sie eingeholt sind und uns büßen müssen für alles das, was sie den Persern angethan haben.



59.

Nach diesen Worten führte er die Perser, nachdem sie über den Asopus gesetzt hatten, im Laufe den Hellenen auf der Spur nach, wie wenn diese davonlaufen wollten; er hatte dabei es allein auf die Lakedämonier und Tegeaten abgesehen: denn die Athener, welche nach der Ebene unter den Hügeln hinzogen, bemerkte er nicht. Und als die übrigen Führer der barbarischen Heeresabteilungen sahen, wie die Perser zur Verfolgung der Hellenen sich in Bewegung gesetzt hatten, erhoben sie sofort alle das Zeichen und eilten ihnen nach so schnell sie nur konnten, ohne irgend eine Ordnung und nicht in der Reihe sich haltend. Und so rückten sie mit Geschrei und Lärmen heran, in der Erwartung, die Hellenen mit fortzureißen.



60.

Pausanias aber schickte, als die Reiterei auf ihm lag, einen Reiter zu den Athenern und ließ ihnen folgendes sagen: Ihr Männer von Athen! Jetzt, wo der größeste Kampf uns bevorsteht, ob Hellas frei, oder in Knechtschaft sein soll, sind wir von unsern Verbündeten, welche in der verflossenen Nacht davongelaufen sind[2)] , verlassen, wir Lakedämonier so gut wie ihr Athener. Daher haben wir nun beschlossen, was wir fürderhin thun müssen: wir müssen uns wehren, so gut wir können und einander beistehen. Denn wenn euch zu Anfang die Reiterei angegriffen hätte, dann hätten wir und die Tegeaten, die mit uns Hellas nicht verraten wollen, euch zu Hilfe eilen müssen: jetzt aber, da gegen uns die gesamte Reiterei gerückt ist, ist es billig, daß ihr derjenigen Abteilung, die am meisten bedrängt wird, zu Hilfe eilt. Wenn es aber euch selbst möglich ist" uns zu Hilfe zu eilen, so schickt uns eure Bogenschützen und wir werden euch Dank wissen: wissen wir doch, daß ihr in diesem gegenwärtigen Kriege so vielen Eifer gezeigt habt, so daß ihr auch darin uns willfahret.



61.

Als dies die Athener vernommen hatten, brächen sie auf, zum Beistand und zur Hilfe nach besten Kräften. Und wie sie bereits auf dem Wege sich befanden, wurden sie von den Hellenen, die mit dem Könige es hielten und ihnen gegenüber aufgestellt waren, angegriffen, so daß sie nicht mehr zu Hilfe kommen konnten: denn der Feind, der auf sie eindrang, machte ihnen zu schaffen. So blieben nun die Lakedämonier und Tegeaten allein: es waren ihrer aber, zugleich mit den Leichtbewaffneten, fünfzigtausend Mann[1)] , der Tegeaten waren es dreitausend[2)] , die sich von den Lakedämoniern durchaus nicht hatten trennen wollen; sie opferten nun, weil sie die Absicht hatten, mit Mardonius und dem Heere, das er bei sich hatte, inden Kampf einzutreten; allein die Opfer waren für sie nicht günstig und viele von ihnen fielen auf diesem Platze und noch weit mehr wurden verwundet. Denn die Perser hielten ihre Schilde zu einer Art von Wehr zusammen[3)] und warfen auf sie von da eine so gewaltige Masse von Geschossen, daß die Spartaner hart bedrängt waren; und da die Opfer nicht günstig waren, richtete Pausanias seine Blicke auf das Heräum der Platäer und rief den Beistand der Göttin an, indem er sie bat, sie möchte doch nimmermehr ihre Hoffnung zu schanden werden lassen.



62.

Während er aber noch also flehete, brachen zuerst die Tegeaten auf und rückten gegen die Barbaren; auch den Lakedämoniern waren sogleich nach dem Gebete des Pausanias die Opfer, als sie schlachteten, günstig; und da dies endlich eingetreten war, so zogen auch sie wider die Perser heran und ebenso die Perser ihnen entgegen, nachdem sie die Bogen zurückgelegt hatten. Zuerst erhob sich der Kampf um die Wehr der Schilde, und als diese gefallen war, entstand sofort ein heftiger Kampf hart bei dem Tempel der Demeter und dauerte es lange Zeit, bis es zum Handgemenge kam: denn die Barbaren faßten die Speere und zerbrachen sie. An Mut und Stärke gaben zwar die Perser nichts nach, allein sie waren durch keine Rüstung geschützt, dabei ungeschickt und den Gegnern an Klugheit nicht gleich; sie stürzten sich hervor einzeln oder zu zehn, oder in Haufen von größerer oder geringerer Zahl, fielen so auf die Spartaner und kamen um.



63.

Wo nun Mardonius selbst sich befand, welcher auf einem weißen Rosse den Kampf mitmachte und um sich die auserlesene Schar von tausend[1)] der tapfersten Perser hatte, da setzten sie auch den Gegnern am meisten zu, und so lange Mardonius am Leben war, hielten sie aus und wehrten sich, warfen auch viele von den Lakedämoniern darnieder; als aber Mardonius umgekommen, und die um ihn aufgestellte Schar, welche den tüchtigsten Teil des Heeres bildete, gefallen war, da wendeten sich auch die übrigen und wichen vor den Lakedämoniern zurück; denn am meisten schadete ihnen ihre Kleidung, welche keinen Schutz durch Rüstung bot: denn so hatten sie als Leichtbewaffnete den Kampf mit Schwerbewaffneten zu bestehen.


***
64.

Hier ward die Strafe für den Tod des Leonidas[2)] nach dem Spruche des Orakels den Spartanern von Mardonius entrichtet, und es gewann Pausanias, der Sohn des Kleombrotus, des Sohnes des Anaxandridas, den schönsten Sieg unter allen, die wir kennen. Die Namen seiner Vorfahren aber sind schon oben[1)] angegeben bei Leonidas; denn es sind für beide dieselben. Mardonius kam um durch den Aeimnestos, einen angesehenen Mann zu Sparta, welcher einige Zeit nach den medischen Kämpfen mit dreihundert Mann, die er bei sich hatte, bei Stenyklarus mit der gesamten Macht der Messenier in einem Kriege mit denselben sich schlug und dabei selbst umkam samt diesen dreihundert Mann[2)] .



***
65.

Als aber zu Platää die Perser von den Lakedämoniern in die Flucht geschlagen waren, flohen sie ohne alle Ordnung in ihr Lager und in die hölzerne Verschanzung, welche sie sich gemacht hatten in dem Gebiete von Theben. Als ein Wunder indessen erscheint es mir, daß von den Persern, welche neben dem Haine der Demeter kämpften, offenbar auch nicht ein einziger in das Heiligtum gekommen oder darin umgekommen ist, sondern die meisten um das Heiligtum herum auf ungeweihtem Boden gefallen sind. Ich glaube nämlich, insofern man über göttliche Dinge etwas glauben soll, die Gottheit selbst nahm sie nicht auf, weil sie den heiligen Tempel zu Eleusis verbrannt hatten. Dies war nun der Ausgang dieser Schlacht.




66.

Artabazus aber, des Pharnakes Sohn[3)] , welchem es von Anfang an nicht gefallen hatte, daß Mardonius vom König zurückgelassen wurde, und der auch damals mit allen seinen Gegenvorstellungen nichts ausrichtete, als er die Schlacht mißriet, that selbst folgendes, weil ihm das, was von Mardonius gethan ward, durchaus mißfiel. Alle die Truppen, die er befehligte — er hatte aber keine geringe Macht, sondern an vierzigtausend Mann um sich — setzte er, sowie der Kampf begann, weil er wohl wußte, welchen Ausgang die Schlacht nehmen werde, wohlgerüstet in Bewegung, mit dem Befehl, sie sollten alle auf gleiche Weise dahin ziehen, wohin er sie führe, sowie sie sähen, daß er eifrig voraneile. Nachdem er diesen Befehl erteilt, führte er sein Heer von da weg, wie zum Kampfe; als er aber eine Strecke Weges voraus war, sah er auch schon die Perser fliehen. Da nun führte er sie nicht mehr in derselben Ordnung, sondern floh auf das eiligste davon, weder nach der hölzernen Verschanzung, noch innerhalb der Mauer von Theben, sondern zu den Phokern, weil er so schnell wie möglich nach dem Hellespont kommen wollte. Und diese wendeten sich nun dorthin.



67.

Von den übrigen Hellenen, welche mit dem König waren, aber sich feige hielten, kämpften allein die Böotier lange Zeit mit den Athenern: denn diejenigen von den Thebanern, welche medisch gesinnt waren, zeigten nicht geringen Eifer im Kampfe und benahmen sich nicht feige, so daß ihrer dreihundert, die ersten und tapfersten, hier von den Athenern erschlagen wurden. Als aber auch sie sich zur Flucht gewendet, flohen sie nach Theben, und nicht dahin, wo die Perser und die ganze Schar der übrigen Verbündeten floh, die mit niemand gekämpft und auch nicht das Geringste gethan hatten.



68.

Es ist mir nun klar, daß die ganze Macht der Barbaren von den Persern abhing, da sie sogar damals die Flucht ergriffen, noch ehe sie mit den Feinden in Kampf geraten waren, weil sie auch die Perser fliehen sahen. Also ergriffen nun alle die Flucht, ausgenommen die Reiterei, sowohl die übrige wie die böotische. Diese aber brachte den Fliehenden dadurch einen großen Nutzen, daß sie stets den Feinden am nächsten war und dadurch die fliehenden Freunde von den Hellenen trennte.



69.

Die Sieger folgten ihnen nun, indem sie die Leute des Xerxes verfolgten und niedermachten. In diesem Schrecken, welcher entstanden war, kommt den übrigen Hellenen, welche um das Heräum aufgestellt waren und an der Schlacht gar keinen Anteil genommen hatten[1)] , die Nachricht zu, daß, eine Schlacht stattgefunden und Pausanias mit seinen Leuten Sieger geblieben. Als sie dies gehört hatten, so hielten sie sich gar nicht mehr in Ordnung nach der Aufstellung, sondern die Korinther schlugen den Weg ein, der am Fuße der Höhe und über die Hügel von oben in gerader Richtung zu dem Heiligtum der Demeter führt, der andere Teil, Megarer und Phliasier, zog durch die Ebene den am meisten geebneten Weg. Als aber die Megarer und Phliasier nahe bei den Feinden waren, sahen die Leute der Thebaner, welche Asopodorus, des Timander Sohn, befehligte, daß sie ohne alle Ordnung heraneilten, und ritten auf sie ein. Und bei diesem Angriff machten sie sechshundert von denselben nieder, die übrigen trieben sie auf der Verfolgung in den Kithäron zurück. Diese nun kamen ums Leben ganz unbeachtet.



70.

Als aber die Perser und die übrige Schar in die hölzerne Verschanzung geflohen waren, stiegen sie schnell auf die Türme hinauf, ehe noch die Lakedämonier angekommen waren; und als sie oben waren, verrammelten sie, so gut sie konnten, ihre Verschanzung. So entstand, als die Lakedämonier angekommen waren, ein noch heftigerer Kampf um die Verschanzung. Denn so lange die Athener noch nicht da waren, wehrten sich jene und hatten bei weitem den Vorteil über die Lakedämonier, weil diese den Angriff auf die Mauern nicht verstanden. Als aber die Athener zu ihnen herangekommen waren, da erst gab es einen gewaltigen und lange Zeit dauernden Kampf. Zuletzt aber erstiegen die Athener durch ihre Tapferkeit und Ausdauer die Mauer und warfen sie ein, wo nun die Hellenen hereinströmten. Zuerst drangen die Tegeaten in die Verschanzung; sie waren es auch, welche das Zelt des Mardonius plünderten und daraus nicht nur andere Gegenstände, sondern auch die Krippe der Pferde wegschleppten, welche ganz von Erz und sehenswert war. Diese Krippe des Mardonius weiheten dann die Tegeaten in den Tempel der Athene Alea[1)] , alles andere aber, was sie weggenommen, brachten sie auf denselben Haufen zu den Hellenen. Die Barbaren hielten sich, als die Mauer gefallen war, nicht mehr zusammen geschart und keiner von ihnen dachte mehr an kräftigen Widerstand; sie waren bestürzt und von Furcht ergriffen in dem engen Raum, in welchem viele Tausende von Menschen zusammengedrängt waren. Da war nun Gelegenheit zum Morden für die Hellenen, so daß von den dreimalhunderttausend Mann des Heeres, nach Abzug der vierzigtausend, mit welchen Artabazus entflohen war, nicht einmal dreitausend von allen übrig blieben. Von den Lakedämoniern aus Sparta waren in der Schlacht in allem einundneunzig umgekommen, von den Tegeaten sechzehn, von den Athenern zweiundfünfzig[1)] .



71.-75

Unter den Barbaren zeichnete sich am meisten aus das Fußvolk der Perser und die Reiterei der Saken; unter den Männern wird Mardonius genannt. Unter den Hellenen hatten sich zwar die Tegeaten und die Athener tapfer gehalten, aber die Lakedämonier ragten vor allen hervor durch Tapferkeit. Ich kann dies zwar durch nichts anderes darthun, da alle die ihnen gegenüberstehenden Feinde besiegten, als dadurch, daß ihnen gegenüber der kräftigere Teil der Perser stand, mit dem sie stritten und den sie besiegten. Und war nach meiner Ansicht bei weitem der tapferste Aristodemus, welcher als der einzige, der vor den Thermopylen sich gerettet von jenen Dreihundert[2)] , Schmach und Unehre sich zugezogen hatte; nach diesem zeichneten sich am meisten aus Posidonius, Philokyon und Amompharetus, der Spartaner. Und als einst darüber gesprochen ward, wer von ihnen der Tapferste gewesen, erkannten die anwesenden Spartaner, Aristodemus hätte, offenbar in der Absicht umzukommen wegen der ihm anklebenden Schuld, indem er wie ein Rasender aus der Schlachtreihe getreten, große Thaten verrichtet, Posidonius aber wäre, ohne daß er den Tod wünschte, ein tapferer Mann gewesen, und wäre er daher um so viel tapferer, als jener. Indessen dies mögen sie wohl auch aus Neid gesagt haben. Die nun, welche ich aufgezählt habe, wurden alle, mit Ausnahme des Aristodemus, geehrt unter denen, welche in dieser Schlacht umgekommen waren; Aristodemus aber, weil er aus der vorher angegebenen Ursache den Tod gesucht, wurde nicht geehrt.


***
72.

Dies waren nun unter den Streitern bei Platää die namhaftesten; denn Kallikrates war außerhalb der Schlacht umgekommen; er war der schönste Mann, der in das Lager gekommen, unter den damaligen Hellenen, nicht nur unter den Lakedämoniern selbst, sondern auch unter den übrigen Hellenen, und wurde, als Pausanias opferte, während er in Reih und Glied stand, durch einen Pfeilschutz an den Weichen verwundet. Als nun die anderen in den Kampf traten, ward er hinausgetragen und starb elendiglich, wobei er zu Arimnestos, einem Platäer, sagte: es mache ihm keine Sorge, daß er für Hellas sterbe, wohl aber, daß er seine Hand nicht gebraucht und keine seiner würdige That vollbracht habe, so sehr er auch sich bestrebt, eine solche That zu vollbringen.



***
73.

Unter den Athenern soll den größten Ruhm Sophanes errungen haben, der Sohn des Eutichides, aus dem Gau von Dekela le'a[1)] , dessen Bewohner einst eine auf alle Zeit nützliche That vollführt haben, wie die Athener selbst erzählen. Als nämlich vor Alters bei Aufsuchung der Helena[2)] die Tyndariden[3)] in Attika mit einem zahlreichen Heere eingefallen waren und die Bewohner der Gaue vertrieben, weil sie nicht wußten, wo die Helena hingebracht war, da sollen die Dekeler, nach einigen Dekelos selbst, im Unwillen über die Mißhandlung des Theseus und aus Furcht um das ganze attische Land, ihnen die ganze Sache angegeben und sie nach Aphidnä[4)] geführt haben, welches dann Titakus, ein Eingeborener des Landes, den Tyndariden übergab, wegen dieser That hatten die Dekeleer zu Sparta fortwährend noch, bis auf diese Zeit, Freiheit von Abgaben und einen Vorsitz[1)] , so daß sogar in dem Kriege, der viele Jahre später nach diesem Kriege zwischen den Athenern und Peloponnesiern entstand[2)] , die Lakedämonier, während sie das übrige Attika beschädigten, Dekelea verschonten.



***
74.

Von diesem Gau war Sophanes, welcher damals unter den Athenern sich so auszeichnete, und hat man darüber eine zweifache Angabe: nach der einen trug er an dem Gürtel des Panzers einen mit einer ehernen Kette befestigten eisernen Anker, den er, so oft er den Feinden nahe gekommen war, auswarf, damit nämlich die Feinde, wenn sie aus der Reihe heraustreten, ihn nicht von der Stelle bringen könnten; wenn aber die Feinde die Flucht ergriffen, so war sein Entschluß, den Anker aufzunehmen und jene zu verfolgen. So wird von der einen Seite erzählt; nach der andern Angabe, welche mit der vorhererzählten im Widerspruch steht, soll er auf seinem Schild, der stets in Bewegung war und nie sich ruhig hielt, einen Anker als Abzeichen getragen haben, also nicht einen eisernen, der an dem Harnisch befestigt war.



***
75.

Auch noch eine andere glänzende That hat Sophanes vollbracht, indem er, als die Athener Ägina belagerten[3)] , den Archiver Eurybates, einen Mann, der im Fünfkampf[4)] gesiegt hatte, infolge einer Herausforderung erschlug. Sophanes selbst aber, so traf es sich, wurde in späterer Zeit, nach diesen Ereignissen, da er ein tapferer Mann war und Feldherr der Athener, zugleich mit Leagros, dem Sohne des Glaukon, von den Edonen erschlagen bei Datos[1)] im Kampfe um die Goldbergwerke[2)] .




76.

Nachdem die Barbaren zu Platää von den Hellenen niedergeworfen worden waren, da kam zu ihnen als Überläuferin eine Frau, das Kebsweib des Pharandates[3)] , des Sohnes des Teaspis, eines Persers, welche, als sie erfahren hatte, daß die Perser vernichtet und die Hellenen Sieger seien, samt ihren Mägden, mit vielem Gold geschmückt und mit dem schönsten Kleide, das sie hatte, aus dem Wagen herabstieg und zu den Lakedämoniern, die noch im Morden begriffen waren, schritt. Als sie aber sah, wie Pausanias dies alles anordnete, dessen Namen wie dessen Vaterland sie wußte, weil sie es oftmals gehört hatte, so erkannte sie ihn, umfaßte seine Kniee und sprach folgendes: O König von Sparta[4)] ! Errette mich, die um Schutz Flehende, von Gefangenschaft und Knechtschaft: denn du hast damit schon genug gethan, daß du diese vernichtet hast, die weder vor Dämonen, noch vor Göttern Scheu haben. Ich bin meiner Abkunft nach von Kos, die Tochter des Hegetoridas, des Sohnes des Antagoras mit Gewalt nahm mich der Perser zu Kos weg und behielt mich bei sich. Darauf erwiderte Pausanias mit folgendem: Weib, sei guten Mutes, nicht bloß als eine um Schutz Flehende, sondern auch darum, weil du, wenn du nämlich die Wahrheit sagst, eine Tochter des Hegetoridas aus Kos bist, welcher mein nächster Gastfreund ist unter denen, welche in jenen Gegenden wohnen. Nachdem er diese Worte gesprochen, übergab er sie den anwesenden Ephoren[1)] und später schickte erste nach Ägina, wohin sie selbst zu kommen wünschte.



77.

Nach der Ankunft des Weibes, gleich nach diesem, kamen die Mantineer an nach verrichteter Sache, und als sie erkannt hatten, daß sie zu spät zur Schlacht gekommen wären, nahmen sie sich es sehr zu Herzen und erklärten, sie verdienten wohl, daß man sie strafe. Als sie aber vernahmen von der Flucht der Meder[2)] , die mit Artabazus waren, wollten sie diese verfolgen bis nach Thessalien; die Lakedämonier gaben aber die Verfolgung der Fliehenden nicht zu; da zogen sie ab in ihre Heimat und jagten die Führer des Heeres aus dem Lande. Nach den Mantineern kamen die Eleer; auch diese nahmen es sich ebenso zu Herzen wie die Mantineer und zogen davon; nach ihrem Abzuge vertrieben sie ebenfalls die Führer. So verhält es sich mit den Mantineern und Eleern.



78.

Zu Platää befand sich in dem Lager der Agineten Lampon, der Sohn des Pytheas[3)] , einer der ersten unter den Ägineten welcher mit dem frevelhaftesten Vorschlag eilends zu dem Pausanias sich begab. Und als er zu ihm gekommen war, sprach er in seinem Eifer folgendes: O Sohn des Kleombrotus! eine außerordentliche That ist von dir vollbracht worden, sowohl nach ihrer Größe, wie nach ihrer Herrlichkeit, und hat die Gottheit dir es verliehen, Hellas zu retten und den größten Ruhm zu erwerben unter den Hellenen, die wir kennen. Thue du nun auch noch dazu das übrige, auf daß noch größerer Ruhm dir zu teil wird und später mancher von den Barbaren sich hütet vor frevelhaftem Beginnen wider die Hellenen. Als Leonidas bei den Thermopylen gefallen war, ließen Mardonius und Xerxes ihm den Kopf abschlagen und ihn dann kreuzigen[1)] Wenn du nun diesen das Gleiche erweisest, wirst du erstlich von allen Spartanern und dann auch von den übrigen Hellenen Lob erhalten. Denn wenn du den Mardonius aufgespießt[2)] hast, wirst du damit Rache genommen haben für deinen Oheim Leonidas.



79.

Solches sprach er, in der Meinung, damit Dank zu verdienen. Jener aber erwiderte ihm mit folgendem: O Gastfreund aus Ägina! ich lobe an dir die gute Gesinnung und die Fürsorge: dein guter Rat jedoch ist gänzlich verfehlt; denn nachdem du mich, mein Vaterland und meine That so hoch erhoben, hast du mich erniedrigt bis zum Nichts, indem du mir rätst, an dem Leichnam mich zu vergreifen, und meinst, ich würde, wenn ich dies thue, noch größeren Ruhm gewinnen: solches zu thun ziemt sich eher Barbaren, als Hellenen, und selbst an jenen tadeln wir es. Ich aber möchte um deswillen weder den Ägineten gefallen, noch allen denen, die an solchem Gefallen finden; mir genügt es, den Spartanern zu gefallen, indem ich, was Recht ist, thue und rede. Dem Leonidas aber, den zu rächen du mich aufforderst, ist, behaupte ich, die volle Rache zu teil geworden. Durch das Leben der zahllos hier Erschlagenen ist er geehrt, er selbst und die übrigen, die bei Thermopylä gefallen sind, darum komme du mir nicht mehr mit einem solchen Vorschlage, noch mit einem solchen Rat; wisse es mir vielmehr zum Dank, daß du ungestraft davon gekommen bist. Da entfernte sich jener, als er dies vernommen hatte.



80.

Nachdem Pausanias durch Herolde hatte verkündigen lassen, daß niemand die Beute anrühre, befahl er den Heloten, die Gegenstände zusammenzutragen. Diese zerstreuten sich nun in dem Lager, wo sie Zelte fanden, die mit Gold und Silber geschmückt waren, vergoldete und versilberte Ruhebetten[1)] , goldene Mischkrüge und Schalen und andere Trinkgefäße: auf den Wagen fanden sie Säcke, in welchen, wie es sich zeigte, goldene und silberne Kessel waren, auch nahmen sie den daliegenden Leichnamen Armspangen und Halsketten, sowie die Dolche ab, welche von Gold waren, indem man auf die bunte Kleidung gar keinen Wert legte. Da stahlen nun die Heloten vieles, was sie an die Ägineten verkauften, vieles auch zeigten sie vor, was sie nämlich nicht zu verbergen im stande waren, daß von daher ursprünglich die großen Reichtümer der Agineten gekommen sind, welche das Gold von den heloten kauften, als wenn es Erz wäre[2).]



81.

Sie trugen nun die Gegenstände zusammen und nahmen davon den zehnten Teil[3)] für den Gott zu Delphi, und wurde davon der goldene Dreifuß geweiht, welcher auf der dreiköpfigen ehernen Schlange steht, ganz nahe dem Altar[1)] ; dann nahmen sie den Anteil für den Gott zu Olympia davon und weiheten daraus den ehernen, zehn Ellen[2)] großen Zeus, ebenso auch für den Gott auf dem Isthmus, woraus der sieben Ellen[3)] große eherne Poseidon gefertigt wurde; nachdem sie dies ausgewählt hatten, verteilten sie das übrige untereinander und erhielt ein jeder, was er verdiente: die Kebsweiber der Perser, das Gold und das Silber und andere Gegenstände, sowie Zugvieh. Was nun als eine besondere Gabe denjenigen von ihnen verliehen ward, welche sich ausgezeichnet hatten wird von niemand angegeben; ich glaube aber, daß auch diese etwas erhalten haben. Für den Pausanias wurde von allem der zehnte Teil auserlesen und ihm geschenkt, Weiber, Pferde, Talente[1)] , Kamele, und ebenso von den übrigen Gegenständen.



82.

Man erzählt auch noch folgendes, was geschehen sein soll. Xerxes soll bei der Flucht aus Hellas dem Mardonius seine ganze häusliche Einrichtung hinterlassen haben; als nun Pausanias diese Einrichtung des Mardonius erblickte, strahlend von Gold und Silber und von bunten Teppichen, soll er den Bäckern und Köchen befohlen haben, ihm auf dieselbe Weise, wie dem Mardonius, ein Mahl herzurichten. Und als diese nach dem Befehl es besorgten, da soll Pausanias, wie er die goldenen und silbernen, so schön gepolsterten Ruhebetten und die goldenen und silbernen Tische und die prachtvolle Zurüstung des Mahls gesehen, in Staunen geraten sein über alle die vor ihm liegenden Herrlichkeiten und zum Scherze seinen eigenen Dienern befohlen haben, ein lakonisches Mahl herzurichten. Da aber der Unterschied bei dem hergerichteten Mahle gar zu groß war, so habe Pausanias lachend die Feldherren der Hellenen zu sich rufen lassen, und als sie zusammen gekommen waren, habe er ihnen die Hernchtung eines jeden der beiden Mahle gezeigt und ausgerufen: Ihr Männer aus Hellas! deswegen habe ich euch zusammen gerufen, weil ich euch den Unverstand dieses Führers der Meder zeigen wollte, welcher mit einer solchen Einrichtung zu uns gekommen ist, um uns, die wir ein so ärmliches Leben führen, dessen zu berauben. Dieses soll Pausanias zu den Feldherren der Hellenen gesagt haben.



83.

Noch in später Zeit nach diesem fanden viele Platäer Kisten mit Gold und Silber und anderen Gegenständen. Auch kam späterhin noch folgendes zum Vorschein. Als den Leichnamen das Fleisch abgefallen war — denn die Platäer trugen die Gebeine an einen Ort zusammen — wurde ein Kopf gefunden, welcher gar keine Naht hatte, sondern aus einem Knochen bestand[2)] ; es kam auch eine Kinnlade zum Vorschein, samt dem oberen Teile; dieselbe hatte alle Zähne aus einem einzigen Knochen hervorgegangen, und zwar die übrigen Zähne so gut, wie die Backenzähne. Auch fand man die Gebeine eines Mannes von fünf Ellen[1)] .



84.

Am zweiten Tage aber nach der Schlacht war der Leichnam des Mardomus *) verschwunden: durch wen dies geschah, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben; ich hörte zwar von vielen und mancherlei Leuten, welche den Mardonius beerdigt haben sollen, auch weiß ich, daß viele große Geschenke erhalten haben von Artyntas, dem Sohne des Mardonius, wegen dieser Handlung; wer jedoch von ihnen derjenige war, welcher den Leichnam des Mardonius weggenommen und beerdigt hat, kann ich nicht mit Gewißheit erfahren; nach einer Angabe wäre es Dionysophanes aus Ephesus gewesen, welcher den Mardonius beerdigt hat. Der ward nun beerdigt auf solche Weise.



85.

Nachdem die Hellenen die Beute zu Platää unter sich verteilt hatten, begruben sie ihre Toten, ein jedes Volk besonders; die Lakedämonier hatten drei Gruben machen lassen; hier begruben sie die Führer[2)] , zu denen auch Posidonios, Amompharetos, Philokyon und Kallikrates[3)] gehörten; in einem der Gräber nun waren die Führer, in dem andern die übrigen Spartaner, in dem dritten die Heloten: auf solche Weise begruben sie; die Tegeaten begruben ihre Leute besonders, aber alle zusammen; ebenso auch begruben die Athener die Ihrigen zusammen; und die Megarer und Phliasier machten es mit denen, welche von der Reiterei getötet worden waren[4)] , ebenso. Die Gräber von allen diesen nun wurden voll. Was aber die Gräber der übrigen betrifft, so viele man deren bei Platää sieht, so haben diese, wie ich höre, aus Scham über ihre Abwesenheit von der Schlacht leere Grabeshügel[1)] aufgerichtet, um der Nachwelt willen. findet sich auch dort ein Grab, welches das der Ägineten heißt und, wie ich höre, sogar zehn Jahre später, auf Bitten der Ägineten, von Kleades, dem Sohne des Autodikos, einem Platäer, der ein Gastfreund derselben war 1), aufgeworfen worden ist.



86.-88

Als demnach die Hellenen ihre Leichname bei Platää bestattet hatten, berieten sie sich sofort und beschlossen wider Theben ;u ziehen, und die Auslieferung der medisch Gesinnten daselbst zu verlangen, vornehmlich aber des Timagenidas[3)] und Attaginus[4)] , welche die Führer hauptsächlich waren: wenn man aber dieselben nicht ausliefere, so würden sie nicht eher von der Stadt sich entfernen, als bis sie dieselbe eingenommen hätten. Nachdem sie diesen Beschluß gefaßt, gelangten sie nun am elften Tage nach der Schlacht nach Theben und begannen die Belagerung mit der Aufforderung an die Thebaner, die Männer auszuliefern. Als aber die Thebaner sie nicht ausliefern wollten, so verheerten sie das Land derselben und rückten näher an die Mauer.


***
87.

Und da sie inzwischen fortfuhren, das Land zu verheeren, so sprach am zwanzigsten Tage Timagenidas zu den Thebanern folgendes: Da die Hellenen also beschlossen haben, nicht eher von der Belagerung abzustehen, als bis sie Theben erobert haben oder ihr uns ihnen überliefert habt, so soll denn um unsertwillen das böotische Land nicht weiter leiden, sondern wenn sie Geld haben wollen und unsere Auslieferung nur zum Vorwand nehmen, so wollen wir ihnen aus Gemeindemitteln Geld geben: denn wir sind ja zugleich mit der Gemeinde medisch gesinnt gewesen, und nicht wir allein; wenn sie aber in Wahrheit uns haben wollen und deshalb die Stadt belagern, so wollen wir uns selbst zur Verteidigung stellen. Der Vorschlag erschien ihnen ganz gut und passend zu sein: und alsbald traten die Thebaner mit dem Pausanias in Unterhandlung, indem sie die Männer ausliefern wollten.



***
88.

Als sie nun auf diese Bedingungen hin übereingekommen waren, entwich Attaginus aus der Stadt, seine Söhne aber, welche abgeführt wurden, sprach Pausanias von der Schuld frei, indem er erklärte, die Söhne hätten gar keine Schuld an der Verbindung mit den Medern. Die übrigen Männer aber, welche die Thebaner ausgeliefert hatten, glaubten, sie würden zur Gegenrede[1)] zugelassen werden, auch hatten sie sicher gehofft, mit Geld durchzukommen. Allein sowie Pausanias sie in Empfang genommen hatte, löste er, weil er denselben Verdacht hegte, das gesamte Heer der Bundesgenossen auf, und führte jene nach Korinth, wo er sie hinrichten ließ. Dieses geschah nun zu Platää und zu Theben.




89.

Artabazus aber, des Pharnakes Sohn, war indessen seit der Flucht von Platää[2)] schon weiter vorwärts gekommen. Und da er zu den Thessaliern kam, luden ihn diese zu Gast ein und fragten ihn hinsichtlich des übrigen Heeres, da sie von dem, was bei Platää vorgefallen war, nichts wußten. Artabazus aber sah wohl ein, daß, wenn er ihnen die ganze Wahrheit über diese Kämpfe mitteilen wolle, er selbst Gefahr laufe zu grunde zu gehen samt seinem Heere; denn er dachte, jedermann, der das Vorgefallene erfahre, werde über ihn herfallen; in dieser Erwägung hatte er zu den Phokern kein Wort gesagt, und zu den Thessaliern sprach erfolgendes: Ihr Männer von Thessalien, wie ihr seht, beeile ich mich aufs schleunigste nach Thracien zu kommen und habe alle Eile, da ich um eines Geschäfts willen aus dem Lager mit diesen Leuten abgeschickt bin. Mardonius selbst und dieses sein Heer, das mir auf dem Fuße folgt, ist demnächst zu erwarten. Auch ihn bewirtet und erweiset ihm Gutes: denn es wird euch mit der Zeit nicht gereuen, wenn ihr dies thuet. Nachdem er dieses gesagt, führte er schleunigst sein Heer weg durch Thessalien und Macedonien in gerader Richtung nach Thracien, wie er denn in Wahrheit eilte und mitten durch das Land seinen Weg nahm. Und so kam er nach Byzantium, nachdem er von seinem Heere viele zurückgelassen hatte, welche von den Thraciern auf dem Wege niedergemacht worden oder aus Hunger und Ermüdung zu grunde gegangen waren; von Byzantium setzte er dann auf Schiffen nach Asien So kehrte dieser dahin zurück.



90.

An demselben Tage aber, an welchem die Schlacht bei Platää vorfiel, traf es sich, daß auch zu Mykale[1)] in Jonien gekämpft ward. Denn als die Hellenen bei Delos lagen[2)] , nämlich die, welche auf den Schiffen zugleich mit dem Lakedämonier Leuschidas dahin gekommen waren, trafen bei ihnen Boten aus Samos ein: Lampon, der Sohn des Thrasykles und Athenagoras, der Sohn des Archestratidas, und Hegesistratus, des Aristagoras Sohn, welche von den Samiern abgeschickt worden waren ohne Wissen der Perser und des Tyrannen Theomestor, des Sohnes des Androdamas, welchen die Perser zum Tyrannen von Samos eingesetzt hatten[3)] . Als diese vor die Feldherren traten, sprach Hegesistratus vieles und mancherlei: wenn die Ionier nur sie sähen, würden sie abfallen von den Persern und die Barbaren würden nicht standhalten, und wenn sie auch wirklich standhielten, so könnten sie keinen zweiten Fang der Art machen; bei den gemeinsamen Göttern, die er anrief, forderte er sie auf, Hellenen aus der Knechtschaft zu befreien und den Barbaren wegzutreiben: es werde ihnen dies, behauptete er, leicht werden: denn die Schiffe derselben segelten schlecht und seien den hellenischen nicht gewachsen; wenn man aber den Verdacht hege, als wollten sie durch List berücken, so seien sie bereit, auf ihre Schiffe sich schleppen zu lassen und hier als Geiseln zu bleiben.



91.-92

Als nun der samische Gastfreund inständig bat, frug ihn Leutychidas, sei es, daß er um einer Vorbedeutung willen es wissen wollte, oder aus Zufall, indem es Gott so fügte: Samischer Gastfreund, was ist dein Name? Er aber sprach: Hegesistratus. Da fiel ihm jener gleich ein in seine weitere Rede, wenn Hegesistratus noch etwas zu sagen gedachte, und sprach: Ich nehme die Vorbedeutung an mit dem Hegesistratus[1)] , o samischer Gastfreund! du aber mache, daß du abfährst, nachdem ihr, du sowohl wie die, die mit dir hier sind, uns die Versicherung gegeben habt, daß die Samier eifrige Verbündete uns sein werden.


***
92.

Sowie er diese Worte gesprochen hatte, ging es auch zur That. Denn die Samier schlossen sogleich unter Eidschwüren einen Bund der Treue, wegen einer Bundesgenossenschaft mit den Hellenen, und nachdem sie dies gethan hatten, fuhren sie weg: denn es sollte mit ihnen Hegesistratus fahren, dessen Namen Leutychidas für eine Vorbedeutung nahm. Die Hellenen aber blieben noch diesen Tag dort liegen und erhielten am folgenden Tage günstige Opfer, wobei ihnen weissagte Deiphonos, der Sohn des Euenios, eines Mannes aus Apollonia, welches am ionischen Busen[2)] liegt. Dessen Vater Euenios war folgendes begegnet.




93.-94

Bei diesem Apollonia befinden sich Schafe[3)] , welche der Sonne heilig sind und den Tag hindurch an dem Fluß[1)] weiden, welcher aus dem Gebirge Lakmon durch das apollonische Land ins Meer fließt bei dem Hafen Orikus, die Nächte hindurch aber bewachen auserwählte Männer, die durch Reichtum und Geburt unter ihren Mitbürgern die angesehensten sind, dieselben, jeder ein Jahr lang. Denn die Apolloniaten achten diese Schafe sehr hoch, infolge eines Götterspruches. Sie bringen aber die Nacht in einer Höhle zu, fern von der Stadt. Hier nun hatte damals der dazu erwählte Euenios die Wache, und als er einst eingeschlafen war auf der Wache, kamen Wölfe in die Höhle und brachten von den Schafen etwa sechzig um. Sowie er dies bemerkte, verhielt er sich still und erzählte es niemand, weil er im Sinne hatte, andere zu kaufen und an deren Stelle zu setzen. Indessen es blieb dieser Vorfall den Apolloniaten nicht verborgen, sondern als sie es in Erfahrung gebracht hatten, führten sie jenen vor Gericht und verurteilten ihn, daß er, weil er über der Wache eingeschlafen, das Gesicht verlieren sollte[2)] . Als sie darauf den Euenios geblendet hatten, brachten alsbald diese Schafe keine Jungen zur Welt, und ebenso trug die Erde keine Frucht. Sie erhielten aber zu Dodona und zu Delphi ein Orakel, als sie die Priester befragten nach der Ursache des gegenwärtigen Übels diese nämlich erklärten ihnen, daß sie mit Unrecht den Wächter der heiligen Schafe Euenios des Gesichtes beraubt hätten; denn sie, die Götter, hätten die Wölfe dahin getrieben und sie würden nicht eher ruhen, jenen zu rächen, als bis jene für das, was sie gethan, diejenige Genugthuung gegeben, die Euenios selber wählen und für recht halten würde. Wenn diese entrichtet werde, würden sie selbst dem Euenios eine solche Gabe verleihen, um deren Besitz ihn viele Menschen glücklich preisen würden.


***
94.

Dieses Orakel war ihnen nun geweissagt worden. Die Apolloniaten aber hielten es geheim und übertrugen die Sache zur Erledigung einigen Männer unter ihren Mitbürgern, welche in folgender Weise es ihnen zu stande brachten. Als Euenios auf einer Bank saß, kamen sie zu ihm, setzten sich neben ihn und sprachen mit ihm von anderen Dingen, bis sie auf sein Unglück kamen und ihm ihre Teilnahme darüber aussprachen. Auf diese Weise täuschten sie ihn und dann fingen sie ihn, welche Genugthuung erwählen würde, wenn die Apolloniaten sich verpflichten wollten, ihm Genugthuung zu geben für das, was sie ihm angethan. Er aber, da er den Götterspruch nicht gehört hatte, sprach sich in Ansehung der Wahl dahin aus, wenn man ihm Felder gebe seiner Mitbürger, die er mit Namen bezeichnete, indem er wußte, daß sie die beiden schönsten Grundstücke unter allen in Apollonia hatten, und dazu eine Wohnung, von der er wußte, daß sie die schönste von denen in der Stadt war; wenn er diese erhielte, so erklärte er, künftighin allen Groll zu lassen, und mit der ihm zu teil gewordenen Genugthuung sich zu begnügen. Und wie er dieses sprach, fielen die neben ihm sitzenden Männer ein und sprachen: Euenios t diese Genugthuung entrichten dir die Apolloniaten für deine Blendung gemäß des ihnen zugekommenen Götterspruchs. Darauf ward er aber, als er die ganze Erzählung vernommen hatte, sehr ärgerlich, weil er getäuscht worden sei. Jene aber kauften von den Besitzern die Felder und gaben ihm, was er sich gewählt hatte. Und nach diesem sogleich empfing er die Gabe der Weissagung, so daß er sogar berühmt geworden ist.




95.

Dieses Euenios Sohn nun war dieser Deiphonos, welchen die Korinthier mitbrachten und welcher dem Heere weissagte. Ich habe aber auch gehört, daß dieser Deiphonos sich den Namen des Euenios anmaßte und unter demselben Seine Kunst in Hellas um Geld übte, obwohl er des Euenios Sohn nicht war.



96.

Als demnach den Hellenen das Opfer günstig war[1)] , fuhren sie mit ihren Schiffen von Delos nach Samos, und als sie bei Kalama[2)] auf Samos angekommen waren, gingen sie daselbst bei dem Tempel der Here vor Anker und rüsteten sich zur Seeschlacht. Wie aber die Perser von ihrer Annäherung Kunde erhalten hatten, fuhren sie mit den übrigen Schiffen nach dem Festlande, nur die phönicischen ließen sie nach Hause fahren. Denn in einer Beratung beschlossen sie keine Seeschlacht zu liefern, weil sie glaubten, nicht gleich zu sein. So schifften sie nach dem Festlande, um hier unter dem Schutze ihres Landheeres zu sein, das bei Mykale stand, und auf Befehl des Xerxes vom übrigen Heere zurückgelassen war zur Bewachung Joniens. Seine Stärke betrug sechzigtausend Mann, welche Tigranes, der an Schönheit und Größe unter den Persern hervorragte, befehligte. Unter den Schutz dieses Heeres nun beschlossen die Führer der Flotte sich zu flüchten, die Schiffe ans Land zu ziehen und mit einem Gehege zu umgeben, zum Schutz für die Schiffe und zum Zufluchtsort für sie selbst.



97.

Nachdem sie diesen Beschluß gefaßt hatten, fuhren sie ab, und als sie an dem Heiligtum der Ehrwürdigen[3)] vorbei zu Mykale an den Gäson und Skolopoeis[4)] gekommen waren, wo ein Tempel der eleusinischen Demeter sich befindet, welchen Philistos, der Sohn des Pasikles, erbauet hat, als er dem Neileus, dem Sohne des Kodrus, zur Gründung von Miletos[5)] folgte, da zogen sie die Schiffe ans Land, umgaben sie mit einem Gehege von Stein und Holz, wozu sie die Fruchtbäume gefällt hatten, und steckten Pfähle um das Gehege herum. Und hier lagen sie gerüstet, ebensosehr, um eine Belagerung auszuhalten, wie um zu siegen, auf beide Fälle: denn in diesem Sinne rüsteten sie sich.



98.

Als die Hellenen erfahren hatten, daß die Barbaren nach dem Festlande gerückt seien, ärgerten sie sich, daß dieselben entflohen waren, und befanden sich in Verlegenheit, was sie thun sollten, ob sie heimkehren, oder nach dem Hellespont zu fahren sollten. Zuletzt aber beschlossen sie keines von beiden zu thun, sondern nach dem Festlande zu fahren. Nachdem sie nun zur Seeschlacht Brücken[1)] und alles andere, dessen sie bedurften, gerüstet hatten, fuhren sie nach Mykale zu. Als sie aber dem Lager nahe waren und niemand sich zeigte, der ihnen entgegenfuhr, sondern sie sahen, wie die Schiffe ans Land gezogen waren innerhalb der Verschanzung, und ein zahlreiches Landheer längs des Gestades aufgestellt war, da schiffte zuerst in seinem Schiffe Leutychidas heran, näherte sich möglichst dem Gestade und ließ durch einen Herold den Ioniern verkünden: Jonische Männer! ihr alle, die ihr dies hören könnt, vernehmet was ich sage, denn die Perser werden überhaupt nichts von dem verstehen, was ich euch auftrage. Wenn wir zum Kampfe kommen, soll ein jeder zuerst vor allem eingedenk sein der Freiheit, hernach aber der Parole: Hebe[2)] . Und dies soll auch derjenige von euch, welcher es nicht gehört hat, erfahren von dem, der es gehört hat. Bei dieser Sache hatte Leus dieselbe Absicht, wie Themistokles bei Artemision[3)] : es sollten nämlich diese Worte entweder, wenn sie den Barbaren verborgen blieben, die Ionier zum Abfall bewegen oder, wenn sie hernach den Barbaren hinterbracht würden, diese mißtrauisch gegen die Hellenen machen.



99.

Nachdem Leus diesen Rat gegeben hatte, thaten die Hellenen hinwiederum folgendes. Sie näherten sich mit ihren Schiffen und stiegen heraus an das Gestade und stellten sich dann in Schlachtordnung. Wie aber die Perser sahen, daß die Hellenen zum Kampfe sich rüsteten und die Ionier aufgemuntert hatten (zum Abfall), nahmen sie zuerst den Samiern, weil sie diese im Verdacht hatten, als hielten sie es mit den Hellenen, ihre Waffen weg. Die Samier nämlich hatten die auf den Schiffen der Barbaren bei ihnen angekommenen gefangenen Athener, welche auf Attika zurückgelassen hier von den Leuten des Xerxes gefangen genommen worden waren, sämtlich ausgelöst und dann nach Athen heimgeschickt, wohlversehen mit dem, was zur Reise nötig war; deswegen insbesondere waren sie verdächtig geworden, weil sie fünfhundert Köpfe der Feinde des Xerxes losgekauft hatten. Darauf übergaben sie die Bewachung der Wege, welche zu den Gipfeln von Mykale führen, den Milesiern, weil diese doch am besten das Land kennen mußten. Sie thaten dies deswegen, damit dieselben außerhalb des Lagers wären. Vor diesen Ioniern nun, von welchen sie glaubten, sie würden, sowie sie nur eine Möglichkeit dazu fänden, einen Abfall versuchen, verwahrten sich die Perser auf solche Weise; sie selbst aber trugen die Schilde zusammen, um dadurch eine Schutzwehr[1)] zu erhalten.



100.

Nachdem die Hellenen sich gerüstet hatten, rückten heran gegen die Barbaren. Während sie aber heranzogen, flog ein Gerücht durch das ganze Heer, und man sah einen Heroldsstab auf dem Uferrande liegen. Es verbreitete sich nämlich unter ihnen das Gerücht, daß die Hellenen das Heer des Mardonius im Kampfe in dem Böoterlande besiegt hätten. Die göttliche Leitung der Dinge offenbart sich wirklich durch viele Zeichen[2)] , insofern auch damals, wo es sich traf, daß an demselben Tage die Schlacht bei Platää und die bei Mykale stattfinden sollte, ein Gerücht zu den daselbst befindlichen Hellenen kam, so daß das Heer noch viel mehr Mut faßte und um so eifriger den Kampf wagen wollte.



101.

Auch das andere traf hier zusammen, daß Heiligtümer der eleusinischen Demeter nahe bei beiden Kämpfen sich befanden. Denn auf dem platäischen Gebiet fand ja der Kampf statt nahe bei dem Heiligtum der Demeter, wie auch vorher von mir angegeben worden ist[1)] , und bei Mykale sollte es ebenso geschehen. Von dem Siege, den die Hellenen mit Pausanias errungen, kam die Sage ihnen ganz richtig zu: denn die Schlacht bei Platää fand frühe des Morgens statt, die zu Mykale aber gegen Abend. Daß aber an demselben Tage und in demselben Monat[2)] beide Schlachten vorgefallen, wurde ihnen nicht lange Zeit nachher, als sie nachforschten, offenbar. Sie waren nämlich, ehe die Sache zu ihnen gelangte, in Besorgnis, nicht sowohl um ihrer selbst willen, als um die Hellenen, es möchte Hellas bei Mardonius eine Niederlage erleiden. Als jedoch diese Nachricht zu ihnen geflogen, machten sie den Angriff um so mehr und um so schneller. Die Hellenen nun, wie die Barbaren, eilten zur Schlacht, da als Kampfpreis vor ihnen die Inseln und der Hellespont lagen.



102.-104

Die Athener und die ihnen zunächst Stehenden nahmen den Weg bis etwa zur Hälfte desselben an dem Gestade und ebenen Boden; die Lakedämonier aber über zertlüftetes Land und Berge. Während aber die Lakedämonier noch herumgingen, standen die auf dem andern Flügel schon im Kampfe. So lange nun den Persern die Schilde aufrecht blieben, wehrten sie sich und hielten sich tapfer im Kampfe; als aber das Heer der Athener und der an sie stoßenden, auf daß das Ganze ihr Werk sei und nicht der Lakedämonier Werk, sich ermahnt hatte und mit noch größerem Eifer dem Kampfe sich zuwendete, da änderte sich bald die Lage. Denn diese durchbrachen die Schilde und stürzten sich in gedrängten Scharen auf die Perser; diese hielten zwar stand und wehrten sich eine Zeitlang, zuletzt aber flohen sie in die Verschanzung. Aber die Athener, Korinther, Sikyonier und Trözenier — denn also waren sie nacheinander geordnet, folgten ihnen auf dem Fuße und drangen zugleich mit ihnen in die Verschanzung. Und als auch die Verschanzung eingenommen war, dachten die Barbaren nicht mehr an eine Gegenwehr, sondern stürzten sich auf die Flucht, alle anderen, außer die Perser. Diese, obwohl es ihrer immerhin nur wenige waren, kämpften mit den Hellenen, welche in einem fort in die Verschanzung eindrangen; und von den persischen Feldherren entkamen zwei, zwei andere aber kamen um. Artayntes und Ithamitres[1)] nämlich, die Befehlshaber der Flotte, entkamen; aber Mardontes[2)] und Tigranes[3)] , die Befehlshaber des Landheeres, kamen im Kampfe um.


***
103.

Während die Perser noch kämpften, kamen die Lakedämonier und die, welche mit ihnen waren, an und halfen nun mit; zu dem, was noch übrig war. Es fielen aber auch von den Hellenen selbst dort viele, unter andern auch Sikyonier und deren Feldherr Perilaos. Diejenigen Samier aber, welche als Soldaten dienten und in dem medischen Lager sich befanden, ihrer Waffen beraubt, wie sie sahen, gleich am Anfang, daß der Kampf auf die eine Seite sich neige, thaten, was sie nur konnten, um den Hellenen nützlich zu sein. Und wie die übrigen Ionier sahen, daß die Samier einen Anfang gemacht hatten, da fielen auch sie ab von den Persern und griffen die Barbaren an.



***
104.

Den Milesiern aber war aufgegeben worden[4)] , die Wege der Perser zu bewahren, um ihrer eigenen Rettung willen, damit, wenn etwas ihnen zustoße, wie es denn auch der Fall war, sie Führer hätten und sich retten könnten auf die Höhen von Mykale. Zu diesem Zwecke nun waren die Milesier hier aufgestellt, und darum sowohl, als auch deshalb, daß sie nicht im Lager wären und hier etwas gegen sie anfangen könnten. Diese aber thaten ganz das Gegenteil von dem, was ihnen anbefohlen war, indem sie den Flüchtigen andere Wege zeigten, welche sie gerade den Feinden zuführten, und zuletzt zeigten sie sich im Morden als ihre ärgsten Feinde. Also fiel Jonien zum zweitenmal ab von den Persern[1)] .




105.

In dieser Schlacht zeichneten sich unter den Hellenen am meisten die Athener aus, und unter den Athenern Hermolykos, des Euthynos Sohn, ein Mann, der im Pankratium[2)] geübt war. Dieser Hennolykos kam später, als die Athener und Karystier einander bekriegten[3)] bei Kyrnus auf karystischem Gebiet, in einer Schlacht um und liegt begraben bei Gerästos[4)] . Nach den Athenern thaten sich hervor die Korinther, Trözenier und Sikyonier.



106.

Nachdem aber die Hellenen den größten Teil der Barbaren niedergemacht hatten, die einen in der Schlacht, die anderen auch auf der Flucht, steckten sie die Schiffe und die ganze Verschanzung in Brand, nachdem sie vorher die Beute daraus weggeschafft hatten an das Gestade; auch hatten sie einige Schätze gefunden; nach der Verbrennung der Verschanzung und der Schiffe fuhren sie aber ab. Als die Hellenen dann nach Samos gekommen waren, hielten sie Rat miteinander, ob sie die Ionier aus ihren Wohnsitzen wegbringen, und in welchem Teile von Hellas, dessen sie Herr wären, sie dieselben ansiedeln sollten, Jonien aber würde man dann den Barbaren überlassen denn es schien ihnen nicht möglich zu sein, für immer vor Jonien zu liegen auf der Wache, während sie doch, wenn sie nicht davor lägen, keine Hoffnung hatten, daß die Ionier ungestraft von den Persern bleiben würden. Inbezug darauf ging die Meinung der im Amte stehenden Peloponnesier dahin, man solle diejenigen hellenischen Völker, welche die Partei der Meder ergriffen, aus ihren Handelsplätzen vertreiben und ihr Land den Ioniern zur Niederlassung übergeben; die Athener dagegen waren überhaupt nicht der Meinung, Jonien ganz aufzugeben, und meinten, es stehe den Peloponnesiern nicht zu, über ihre Kolonieen[1)] sich zu beraten. Als sie daher sich widersetzten, so gaben die Peloponnesier bereitwillig nach. Und so kam es denn, daß sie vie Samier, Chier, Lesbier und die übrigen Inselbewohner, welche zugleich mit den Hellenen ins Feld gezogen waren, in ihre Bundesgenossenschaft[2)] aufnahmen, nachdem sie dieselben durch Eide verpflichtet hatten, daß sie bei ihnen bleiben und nicht abfallen würden. Nachdem sie nun diese durch Eide verpflichtet hatten, fuhren sie ab, um die Brücken abzubrechen: denn sie glaubten dieselben noch stehend zu finden[3)] . Diese nun fuhren ab, dem Hellespont zu.



107.

Diejenigen Barbaren aber, welche entflohen und in die Höhen von Mykale gedrängt worden waren, an Zahl nicht viele, nahmen den Rückweg nach Sardes. Während sie noch auf dem Wege waren, ließ sich Masistes, des Darius Sohn[4)] , welcher bei der Niederlage, die sie getroffen, zugegen gewesen war, gegen den Feldherrn Artayntes in harten Worten aus und behauptete unter anderem auch, er sei, da er in solcher Weise das Heer angeführt, schlechter als ein Weib und verdiene alles Schlimme, da er dem Hause des Königs solchen Schaden zugefügt. Es ist aber nämlich bei den Persern die größeste Schmach, für feiger zu gelten, als ein Weib[5)] . Dieser, als er es lange angehört, ward ärgerlich und zog den Degen gegen Masistes, um ihn zu töten. Und wie ihn Xeinagoras, des Prexilaos Sohn, ein Mann aus Halikarnaß[6)] , heranstürzen sah, so faßte er, da er hinter Artayntes stand, diesen mitten um den Leib, hob ihn in die Höhe und warf ihn auf die Erde. Und in diesem Moment traten die Lanzenträger[1)] des Masistes heran. Dieses vollbrachte Xeinagoras und erwarb sich dadurch Dank, ebensowohl bei Masistes selbst, als bei Xerxes, dessen Bruder er rettete; und wegen dieser That ward Xeinagoras zum Herrscher von ganz Cilicien[2)] , das ihm der König verlieh. Denen aber, die auf dem Wege zogen, begegnete nichts mehr weiter, sondern sie kamen nach Sardes. Es befand sich zu Sardes noch der König von jener Zeit her[3)] , wo er aus Athen, nach der Niederlage zur See, auf der Flucht dahin gekommen war.



108.-113

Während er damals zu Sardes sich aufhielt, verliebte er sich in das Weib des Masistes, welche ebenfalls daselbst war. Da sie aber nicht dahin zu bringen war, ihm zu willfahren, und er auch keine Gewalt anwenden wollte, aus Scheu für seinen Bruder Masistes (ebendieselbe Rücksicht aber hielt auch das Weib zurück, da sie wohl wußte, daß man keine Gewalt anwenden werde), da nun betrieb Xerxes, da ihm kein anderes Mittel zu Gebot stand, eifrig die Heirat seines Sohnes Darius mit der Tochter dieses Weibes und des Masistes, weil er dachte, jene um so eher zu gewinnen, wenn er dies zu stande gebracht hätte. Er verlobte sie daher, und nachdem er das, was die Sitte erheischt, veranstaltet hatte, kehrte er nach Susa[4)] zurück. Als er aber dort angekommen war und in seine Wohnung das Weib des Darius gebracht hatte, da nun stand er ab von dem Weibe des Masistes und wendete sich diesem Weibe mit seiner Liebe zu, erreichte auch bei dem Weibe des Darius, die des Masistes Tochter war, seine Absicht: der Name dieses Weibes war Artaynte.


***
109.

Im Laufe der Zeit aber ward dies auf folgende Weise entdeckt. Amestris[1)] , des Xerxes Weib, hatte ein großes, buntes und sehenswertes Gewand gewebt und dem Xerxes geschenkt, welcher es voll Freude anlegte und damit zur Artaynte ging. Und da er auch an ihr seine Freude hatte, forderte er sie auf, sich zu erbitten, was sie nur zu erhalten wünsche, für alles, was sie ihm erwiesen: denn sie werde alles, was sie verlange, erhalten. Sie aber — denn sie sollte nun einmal samt ihrem ganzen Hause ins Unglück kommen — sprach darauf zu Xerxes: Wirst du mir wohl geben, um was ich dich bitte[2)] ? Dieser, in der Erwartung, sie würde eher alles andere verlangen, versprach es ihr und beschwor es. Wie er aber geschworen, so bittet sie ohne alle Furcht um das Gewand. Xerxes drehte und wendete sich auf alle Weise, weil er es nicht hergeben wollte: aus keinem andern Grunde, als aus Furcht vor Amestris, die schon vorher einen Argwohn auf sein Verhalten gefaßt hatte, es möchte derselben alles entdeckt werden; er bot ihr daher Städte, unermeßliches Gold und ein Heer an, über welches niemand gebieten solle, als sie, es gilt aber ein Heer für ein großes Geschenk bei den Persern. Allein er vermochte sie nicht zu bewegen, und so gab er ihr das Gewand. Sie aber war voll Freude über dieses Geschenk und stolz darauf, es zu tragen. Und so bemerkte Amestris sie in diesem Gewande.



***
110.

Als sie aber den Vorfall erfahren hatte, zeigte sie keinen Groll gegen dieses Weib, sondern weil sie meinte, ihre Mutter sei die Ursache davon und habe dies betrieben, so sann sie auf Verderben dem Weibe des Masistes. Sie wartete ab, bis ihr Mann Xerxes das königliche Gastmahl gab; dieses Mahl wird einmal in jedem Jahre an dem Tage, an welchem der König geboren ist[3)] , veranstaltet; der Name dieses Mahles lautet auf Persisch Tykta, in hellenischer Sprache heißt es: vollkommen; dann salbt auch der König allein sein Haupt und beschenkt die Perser. Diesen Tag wartete Amestris *) ab und bat sich dann von Xerxes als Geschenk das Weib des Masistes aus. Dieser fand es arg und gottlos, preiszugeben das Weib seines Bruders, zumal auch dieselbe an der ganzen Sache unschuldig war: denn er merkte wohl, warum sie diese Bitte stellte.



***
111.

Zuletzt jedoch, da jene darauf beharrte und er durch das Gesetz gehindert war, weil es nicht möglich ist, dann, wenn das königliche Mahl aufgetragen ist, eine Bitte abzuschlagen, willigte er höchst ungern ein und that, nachdem erste übergeben, dann folgendes: seiner Frau sagte er, sie könne thun, was sie wolle, darauf aber ließ er seinen Bruder rufen und sprach zu ihm folgendes: Masistes, du bist des Darius Sohn und mein Bruder, und auch dazu bist du ein tapferer Mann: lebe nicht mehr zusammen mit dem Weibe, mit dem du jetzt zusammenlebst, sondern ich will dir dafür meine Tochter geben; mit dieser lebe zusammen, die aber, die du jetzt zur Frau hast, diese behalte nicht länger: denn ich will es nicht. Masistes, voll Verwunderung über diese Worte, spricht darauf folgendes: O Gebieter! was für einen ungeeigneten Vorschlag machst du mir, indem du mich aufforderst, das Weib, von welchem ich erwachsene Söhne und ächter habe, von welchem du sogar eine an deinen eigenen Sohn verheiratet hast, und welches mir so ganz nach dem Sinne ist, fortzuschicken und deine Tochter zu heiraten! Obwohl ich es, o König, hoch anschlage, deiner Tochter für würdig erachtet zu werden, so werde ich jedoch keines von beiden thun: du aber wende in keinem Fall Gewalt an, indem du eine solche Sache verlangst; sondern für deine Tochter wird sich schon ein anderer Mann zeigen, der nicht geringer ist, als ich, mich aber laß mit meinem Weibe zusammen. In solcher Weise antwortete er. Xerxes aber, erbost, sprach zu ihm folgendes: So ist es nun geschehen um dich, Masistes: denn ich werde dir nicht meine Tochter geben zur Heirat, und auch mit jener Frau wirst du nicht länger mehr zusammen leben, damit du lernest anzunehmen, was dir angeboten wird. Dieser, sowie er diese Worte vernommen, ging hinaus und sprach nur folgendes: Gebieter, noch hast du mich nicht zu grunde gerichtet.



***
112.

In der Zwischenzeit aber, in welcher Xerxes mit seinem Bruder diese Unterredung hatte, ließ Amestris die Lanzenträger des Xerxes holen und das Weib des Masistes arg zurichten; sie ließ ihr die Brüste abhauen[1)] und den Hunden vorwerfen, und ebenso Nase, Ohren, Lippen und Zunge abschneiden, und so verstümmelt schickte dieselbe nach Hause.



***
113.

Masistes, welcher nichts davon gehört hatte, wohl aber besorgte, es möchte irgend ein Unglück ihn treffen, stürzte eilends in sein Haus: und wie er hier sein Weib so zu grunde gerichtet erblickte, beriet er sich sogleich darauf mit seinen Söhnen und zog zugleich mit diesen und wohl auch mit anderen fort nach Baktrien[2)] , in der Absicht, die Provinz Baktrien zum Abfall zu bewegen und dem König den größten Schaden zuzufügen. Es würde dies wohl auch geschehen sein, wie ich glaube, wenn er eher zu den Baktriern und Saken sich begeben hätte; denn diese hatten ihn gerne und war er Statthalter von Baktrien. Allein Xerxes, welcher erfahren hatte, daß er mit diesen Plänen umgehe, schickte ein Heer ihm nach und ließ auf dem Wege ihn selbst und seine Söhne und sein ganzes Heer niederhauen. Also erging es mit der Liebschaft des Xerxes und dem Tode des Masistes[3)] .




114.

Die Hellenen, welche von Mykale aus nach dem Hellespont zu aufgebrochen waren, legten sich zuerst bei Lektos vor Anker, zurückgehalten durch die Winde; von da kamen sie nach Abydos und fanden die Brücke abgebrochen, die sie geglaubt hatten noch stehend zu finden: deswegen hauptsächlich waren sie nach dem Hellespont gegangen. Da beschlossen die Peloponnesier unter Leuschidas nach Hellas zurückzukehren, die Athener aber und ihr Feldherr Xanthippos beschlossen hier zu bleiben und einen Angriff auf die Chersones[1)] zu versuchen. So schifften nun jene weg, die Athener aber setzten von Abydos hinüber auf die Chersones und begannen die Belagerung von Sestos[2)] .



115.

Nach diesem Sestos, weil es unter den dortigen festen Plätzen der stärkste war, strömten auf die Nachricht von dem Erscheinen der Hellenen im Hellespont viele aus den andern umliegenden Städten, dann aber auch aus der Stadt Kardia[3)] Oiobazus, ein Perser, welcher die Taue von den Brücken dahin gebracht hatte. Einzelne Äolier bewohnten diese Stadt; es befanden sich aber auch Perser darin und ein zahlreicher Haufe der übrigen Verbündeten.



116.

Es herrschte über diesen ganzen Distrikt ein Statthalter des Xerxes, Artayktes, ein Perser, ein greulicher und gottloser Mann, der auch den König auf seinem Zuge nach Athen getäuscht hatte, indem er die Schätze des Protesilaos, des Sohnes des Iphiklos, aus Eläus heimlich hatte wegbringen lassen. Zu Eläus[1)] nämlich im Chersones befindet sich das Grab des Protesilaos[2)] und um dasselbe ein geheiligter Raum, und dort waren manche Schätze, goldene und silberne Schalen, Erz, Kleidung und andere Weihgeschenke, welche Artayktes wegnahm, da der König es ihm gestattet hatte. Er hatte nämlich durch folgende Worte den Xerxes getäuscht: Gebieters hier ist das Haus eines Hellenen, welcher gegen dein Land zu Felde gezogen ist und durch den Tod die verdiente Strafe erhalten hat. Dessen Haus gib mir, damit ein jeder ersehe, daß man nicht gegen dein Land zu Felde ziehen soll. Durch diese Worte sollte er wohl leicht den Xerxes bewegen, das Haus des Mannes ihm zu schenken, da Xerxes gar keine Ahnung von dem hatte, was jener beabsichtige. Er behauptete nämlich, Protesilaos wäre wider das Land des Königs ins Feld gezogen, wobei er an folgendes dachte: die Perser glauben, daß ganz Asien ihr und ihres jedesmaligen Königs Eigentum sei[3)] . Wie ihm nun die Schätze geschenkt waren, so brachte er sie von Eläus weg nach Sestos, ließ den heiligen Raum einsäen und sein Vieh dort weiden: so oft er aber selbst von Eläus nach Sestos kam, verkehrte er mit Weibern in dem heiligsten Raume des Tempels. Damals nun ward er von den Athenern belagert, ohne daß er zu einer Belagerung sich vorgesehen oder die Hellenen erwartet hatte; denn sie hatten ihn unversehens überfallen.



117.

Als nun über der Belagerung der Herbst herankam, und die Athener ärgerlich waren über die lange Abwesenheit von Hause und über die Unmöglichkeit, die Veste zu erobern, baten sie ihre Feldherren, sie möchten sie doch heimführen; diese aber wollten es nicht thun, bevor sie die Stadt erobert, oder der Staat der Athener sie abberufen hätte. So fügten sie sich in ihre Lage.



118.

Diejenigen aber, welche innerhalb der Veste sich befanden, waren bereits in die äußerste Not gekommen, so daß sie die Gurten der Ruhebetten kochten und verzehrten. Als sie aber auch diese nicht mehr hatten, da entwichen in der Nacht die Perser mit Artayktes und Oiobazus, indem sie hinter der Mauer herabstiegen, da, wo dieselbe von den Feinden am meisten verlassen war. Wie es aber Tag geworden war, verkündeten die Chersonesiten von den Türmen aus den Athenern, was vorgefallen war, und öffneten die Thore; und von diesen machte die Mehrzahl sich auf zur Verfolgung, der andere Teil besetzte die Stadt.



119.

Den Oiobazus nun, welcher nach Thracien geflohen war, fingen die thracischen Apsinthier[1)] und opferten ihn, nach ihrer Sitte, dem Pleistoros, einem einheimischen Gotte; die aber, die mit ihm waren, töteten sie auf andere Weise. Artayktes und seine Leute, welche später sich auf die Flucht gemacht hatten, wurden, als sie sich etwas wenig über Ägos Potamoi befanden, eingeholt und nach einer längeren Gegenwehr zum Teil getötet, zum Teil lebendig gefangen: diese banden die Hellenen zusammen und führten sie nach Sestos, mit ihnen auch den Artayktes gebunden, ihn selbst und seinen Sohn.



120.

Und einem derer, welche sie bewachten, soll, wie die Chersonesiten erzählen, beim Braten gesalzener Fische folgendes Wunder geschehen sein. Die Fische, welche auf dem Feuer lagen, hüpften mit einem Male und zappelten, gerade wie frisch gefangene Fische. Und es stürzten die Leute herbei und verwunderten sich. Als aber Artayktes das Wunderzeichen sah, rief er dem, der die Fische briet und sprach: Mein Freund aus Athen, fürchte dich nicht vor diesem Wunder: denn es ist nicht für dich erschienen, sondern mir verkündet Protesilaos zu Eläus, daß er, wenn auch tot und wie ein gesalzener Fisch, doch noch von den Göttern die Macht besitzt, den, der ihm Unrecht gethan, zu strafen. Jetzt nun will ich ihm folgendes Lösegeld entrichten: für die Schätze, welche ich aus dem Heiligtum genommen, will ich hundert Talente[2)] dem Gott weihen; für die Erhaltung meines Lebens und für meines Sohnes Leben will ich zweihundert Talente[1)] den Athenern geben. Dies versprach er, allein er vermochte den Feldherrn Xanthippos nicht zu bewegen. Denn die Eläusier verlangten, aus Rache für Protesilaos, feinen Tod; und dahin ging auch der Sinn des Feldherrn selbst. Sie führten ihn daher an das Gestade, wo Xerxes den Übergang auf den Brücken bewerkstelligt hatte, nach einer andern Angabe auf den Hügel oberhalb der Stadt Madytus[2)] , und hingen ihn an einem Brette angenagelt auf, den Sohn aber steinigten sie vor den Augen des Artayktes.



121.

Nachdem sie dies gethan hatten, fuhren sie weg nach Hellas und führten mit sich ebensowohl andere Schätze, als auch die Taue der Brücken, um sie in die Tempel zu weihen. Und in diesem Jahr[3)] fiel nichts mehr weiter vor.



122.

Dieses Artayktes, welcher aufgehängt worden ist, Großvater ist Artembares, welcher den Persern zuerst den Vorschlag machte, welchen diese auch ergriffen und dem Cyrus vorlegten, folgenden Inhalts. Da Zeus[4)] den Persern, und vor allen Männern dir, o Cyrus, die Herrschaft verliehen, nach Sturze des Astyages, wohlan, so wollen wir das kleine und dabei auch rauhe Land[5)] , das wir besitzen, verlassen und ein anderes, besseres in Besitz nehmen; viele Länder sind uns benachbart, viele liegen uns auch ferner; wenn wir nun eines von diesen in Besitz nehmen, werden wir vor der Welt ein Gegenstand größerer Bewunderung sein. Männer, welche herrschen, müssen es doch wohl so machen; denn wann wird sich eine schönere Gelegenheit dazu bieten, als jetzt, da wir über viele Menschen und über ganz Asien herrschen Als Cyrus dies gehört hatte, bewunderte er den Vorschlag zwar nicht, forderte sie jedoch auf, es zu thun, aber er gab ihnen den Rat, für diesen Fall sich nur gefaßt zu machen, daß sie nicht mehr Herrscher, sondern Beherrschte würden: denn aus einem weichlichen Boden pflegten verweichlichte Männer hervorzugehen, da es nicht demselben Lande gegeben sei, eine bewundernswürdige Frucht hervorzubringen und Männer, tapfer im Kriege: so daß die Perser es einsahen und sogleich abstanden, besiegt durch Cyrus in ihrer Ansicht, und es vorzogen, Herrscher zu sein und ein mageres Land zu bewohnen, als die Ebene zu besäen und Knechte anderer zu sein[1)] .